Nano Lab mit großen Zielen

Im Januar dieses Jahres wurde das Nano Lab am IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) offiziell in Betrieb genommen. In diesem Reinraum bietet das Labor beste Möglichkeiten für die Forschung und Entwicklung neuer Verfahren sowie für die Ausbildung im Bereich der Mikrotechnologie.

„An dieser Stelle ist für Besucher leider Schluss“, sagt Dr. Andreas Mai, Kommissarischer Leiter der Abteilung Technology am IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik. Hinter dicken getönten Glasscheiben schlägt ein neuer Teil des technologischen Herzens des IHP in Frankfurt (Oder): das Nano Lab, welches unter Reinraumbedingungen betrieben wird. Wer hier arbeitet, trägt einen Schutzanzug, der den kompletten Körper verhüllt. Mundschutz inklusive. Luftschleusen sorgen dafür, dass auch ja keine Staubkörnchen das Nano Lab verunreinigen. Staubpartikel können mehrere Mikrometer groß sein. Sie wären Riesen im Vergleich zu der Miniaturarbeit im IHP Reinraum und im Nano Lab.

Gerade einmal 0,3 Nanometer „dick“ ist zum Beispiel die Kohlenstoffschicht, die am IHP für graphenbasierte Bauelemente aufgetragen wird. Das neuinstallierte Nano Lab wird zukünftig für die Umsetzung neuer technologischer Ideen für die Mikroelektronik genutzt, wie Dr. Andreas Mai erklärt. Die hier verfügbaren Prozesse werden unter anderem für sogenannte TSV-Lösungen – Through-Silicon-Via-Lösungen – genutzt. Gemeint sind Neuentwicklungen, die das temporäre oder auch dauerhafte Verbinden von Wafern ermöglichen. Bei einigen Mikrochips, zum Beispiel im Bereich der Speicher, werden diese bereits gestapelt, um so die Summe ihrer Leistung abrufen zu können. Bei komplizierten Schaltungen werden die Chips oft per Bonding mit Drähten miteinander verbunden. Doch das hat Leistungseinbußen zur Folge. Die Wissenschaftler am Frankfurter IHP, dessen Spezialgebiet siliziumbasierte Technologien sind, gehen einen anderen Weg. Sie treiben mikroskopisch kleine Wolframstöpsel in die Wafer, die ein leichtes Andocken erlauben. Dies kann zum Beispiel im Bereich von Hochfrequenzanwendungen zum sogenannten Grounding genutzt werden.

„Ein Wafer ist etwa einen Dreiviertelmillimeter dick, also 750 Mikrometer“, erläutert Dr. Andreas Mai. Aktiv genutzt würden davon aber keine 20 Mikrometer. 1,5 Mikrometer dick ist die Siliziumschicht, 15 Mikrometer nimmt die Verdrahtung der Bauelemente ein – der Rest ist Trägermaterial. Bei den TSVs gehen die Frankfurter bis in eine Tiefe von 75 Mikrometern. Um die Wolframstöpsel für eine spätere Nutzung freizulegen, wird das Trägermaterial von der Rückseite aus abgetragen. Es bleibt gerade noch so viel übrig, dass die Stabilität des Wafers nicht gefährdet wird. Verbindungen über die Wolframstöpsel verbessern die Anwendungsmöglichkeiten der Wafer im Hochfrequenzbereich.

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IHP 2016

Miteinander verbundene Wafer könnten sogar in der Sensorik eingesetzt werden. In Löcher, die einen Durchmesser von nur 50 Mikrometern haben, könnte Flüssigkeit zur Analyse eingefüllt werden. Damit ergeben sich ganz neue Chancen für die Mikrofluidik, schwärmt der IHP-Experte. Das wäre vor allem für die Bioanalytik und den Bereich der Medizin interessant.

Die Arbeit an den Metallabscheidungen auf der Waferrückseite muss allerdings bisher unter vergleichsweise hohen Temperaturen erfolgen, die das umliegende Material und Bauelemente schädigen können. „Wir entwickeln daher neue Prozesse bei geringeren Temperaturen“, so Dr. Andreas Mai. „Deswegen sind wir ja ein Forschungsinstitut.“ Ein interessanter Nebeneffekt ist bei den Entwicklungsarbeiten schon jetzt deutlich geworden: Verlieren die Wafer viel Material an ihrer Rückseite, entsteht eine Siliziumscheibe mit enormer Flexibilität. Dr. Andreas Mai: „Das ergibt ein schönes Spielfeld an Einsatzmöglichkeiten.“

Längst noch nicht ausgeschöpft sind auch die Möglichkeiten des Nano Labs. Es gibt genug Platz für weitere Prozesslinien. „Wir hören nicht auf. Wir können noch mehr“, betont der Kommissarische Leiter der Abteilung Technology. Ziel ist es, im Nano Lab ähnlich stabile Technologieabläufe wie im IHP-Reinraum zu garantieren, die sehr nah an den Standards der Industrie sind. Interessant sind auch die Perspektiven, die das Nano Lab für die Ausbildung eröffnet. Künftige Mikrotechnologen könnten hier einen Part ihres dualen Studiums absolvieren. Das IHP ist derzeit in „konkreter Abstimmung“ mit der TH Wildau, so Dr. Andreas Mai, um einen dualen Studiengang „B.Sc. Physikalische Technologien & Mikrotechnologie“ aufzusetzen. Das Nano Lab wird dabei mit einbezogen – wie auch bei den Ausbildungen am Institut zum Mikrotechnologen oder Mechatroniker.

Ohnehin wird die Kooperation mit Hochschulen und Universitäten am IHP groß geschrieben. Mit insgesamt acht nationalen und internationalen Partnern betreibt das Frankfurter Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik sogenannte Joint Labs. Die Joint Labs sollen eine Brücke bilden zwischen der Forschung am IHP und der Lehre und Forschung bei den Partnern. Eine solche Kooperation gibt es unter anderem mit der BTU Cottbus – Senftenberg, der TU Berlin und der HU Berlin sowie mit der TU Poznań und der Sabanci Universität in Istanbul. Seit nun schon zehn Jahren gibt es auch das Joint Lab mit der Technischen Hochschule Wildau. Heute wird es von Dr. Andreas Mai am IHP und von Prof. Dr. Sigurd Schrader an der TH Wildau geleitet. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Silizium-Photonik und die Silizium-Organik Hybrid Photonik. Wie Dr. Andreas Mai erklärt, gibt es gemeinsame Lehrveranstaltungen und jährliche Praktikumswochen für Studenten der TH Wildau. Die Zusammenarbeit eröffnet dem IHP den Zugang zu Fachkräften. Fünf ehemalige Wildauer Studenten sind heute in Frankfurt fest angestellt. „Im Joint Lab bündeln wir erfolgreich regionale akademische und außeruniversitäre Potenziale“, betonte TH-Präsident Prof. Dr. László Ungvári kürzlich zum Jubiläum des Joint Labs. Das erhöhe die Attraktivität und Qualität von Lehre und Studium. Außerdem würden neue innovative Lösungen mit internationaler Strahlkraft entstehen.

Die Partner aus Wildau und Frankfurt (Oder) bearbeiten gemeinsam das Forschungsprojekt HOPBIT, das für Hybride Silizium-Organik Photonik für die hochbitratige Datenübertragung steht. Ziel ist es, photonische Silizium-Organik-Hybrid (SOH) Bauelemente in eine siliziumbasierte Chiptechnologie zu integrieren. Dabei machen es sich die Forscher zunutze, dass sich die optische Eigenschaft einer Lichtwelle ändert in Abhängigkeit des Polymers, das sie umgibt. Das Licht wird durch einen Siliziumsteg geleitet, den ein Polymer ummantelt. Werden elektrische Kontakte angelegt, lasse sich das Licht schneller modulieren, erklärt Dr. Andreas Mai. Das Forschungsprojekt wird mit Geld aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung EFRE gefördert.

Danach befragt, wo das IHP in etwa fünf Jahren stehen werde, tut sich Dr. Andreas Mai schwer damit, eine Prognose zu wagen. „Das ist das Interessante an unserer Arbeit, dass es immer wieder etwas Neues gibt.“ Er hofft aber, „dass die siliziumbasierte Hochfrequenztechnologie für Spitzenleistungen in der Welt sorgt und dass das IHP dabei an erster Stelle steht“. Und weiter: „Zudem bin ich mir auch sicher, dass wir mutig genug sind, um neue Wege zu gehen.“

Das Portrait wurde von Ute Sommer verfasst.

Lesen sie hier das Interview mit Dr. Andreas Mai.

Kontakt:

IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik Dr. Andreas Mai
Kommissarischer Leiter der Abteilung Technology
Am Technologiepark 25
15236 Frankfurt (Oder)

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E-Mail: &nbsp  &nbsp mai@noSpamihp-microelectronics.com
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