Interview mit Herrn Dr.-Ing. Hartmut Stoltenberg - Besonders empfindliche Drucksensoren

Interview mit Dr.-Ing. Hartmut Stoltenberg von der Prignitz Mikrosystemtechnik GmbH in Wittenberge.

Dr.-Ing. Hartmut Stoltenberg leitet bei der Prignitz Mikrosystemtechnik GmbH die Technologieentwicklung. Das Wittenberger Unternehmen ist ein Spezialist für Drucksensoren, die je nach Kundenwunsch auf die unterschiedlichsten Einsatzbereiche abgestimmt sind. Im Interview stellt Dr. Stoltenberg die jüngste Entwicklung des Unternehmens vor – ein Sensor, der in der Lage ist, Druckunterschiede von wenigen Millibar wahrzunehmen – und verrät, woran die Entwickler der Prignitz Mikrosystemtechnik jetzt tüfteln.


Kurzporträt:

Die Prignitz Mikrosystemtechnik GmbH in Wittenberge ist ein international agierender Anbieter von Sensoren. Schwerpunkte der eigenen Forschung und Entwicklung sowie der Produktion sind Druck-, Temperatur- und Feuchtesensoren. Hinzu kommen spezielle Sensoren für Füllstandsmessungen und für die chemische Analytik. Die Produktion hochsensibler Sensortechnik erfolgt im eigenen Reinraum. Das im Jahr 2001 gegründete Unternehmen hat 59 Beschäftigte, elf davon sind im Bereich der Forschung und Entwicklung tätig. Rund ein Drittel ihrer Produkte verkauft die Prignitz Mikrosystemtechnik an Abnehmer in den USA, in China und Russland. Gut 40 Prozent der Erzeugnisse werden in Deutschland vertrieben. Sensoren aus Wittenberge stecken beispielsweise in Filter- und Lüftungsanlagen, in Öl- und Wassertanks und in Antiblockiersystemen (ABS) in Lastkraftwagen. Gründervater und Geschäftsführer des Unternehmens ist Dietmar Arndt, ein gebürtiger Wittenberger.

Interview:

optiMST: Elf Mitarbeiter sind bei der Prignitz Mikrosystemtechnik in der Forschung und Entwicklung tätig – das ist fast jeder fünfte Beschäftigte. Warum leistet sich ein Mittelständler eine so starke Entwicklungssparte?

Dr. Stoltenberg: Wir sind ein Unternehmen, das Messtechnik für Spezialanwendungen bietet. Wir produzieren nicht Sensoren in großen Serien. Da ist man sehr schnell in einem Wettbewerb, bei dem es stark um den Preis geht. Wir haben uns dagegen auf flexible Lösungen spezialisiert, die wir nach den Anforderungen unserer Kunden kreieren. Genau deswegen bin ich doch auch Ingenieur geworden: Ich möchte Produkte entwickeln, die ich vermarkten kann. Diese Chance habe ich hier.

optiMST: Welche Neuentwicklungen hat die Prignitz Mikrosystemtechnik auf den Markt gebracht?

Dr. Stoltenberg: Wir haben durch den Einsatz von monokristallinem Silizium auf Stahl eine Druckmesszelle entwickelt, die weitaus sensibler reagiert als bisherige Produkte. Drucksensoren bestehen in vielen Fällen aus Stahl. Ebenso die Membran im Sensor, die den Druck registriert, den beispielsweise eine Flüssigkeit ausübt. Eine Stahlmembran mit dem heute üblichen Aufbau ist in der Lage, einen Druck von wenigen Bar wahrzunehmen. Vielleicht auch noch von 600 bis 700 Millibar. Aber dann ist Schluss. Wir bringen auf die Membran Dehnmessstreifen aus Silizium auf und erhöhen damit die Empfindlichkeit des Sensors. Druckunterschiede von nur 100 Millibar können problemlos gemessen werden. Das Besondere bei unserer Entwicklung: Wir verwenden monokristallines Silizium. Die Eigenschaften von Silizium wechseln mit der Raumrichtung im Kristall. Indem wir Einkristalle einer definierten Raumrichtung verwenden, können wir die Eigenschaften wie etwa die Druckempfindlichkeit optimieren. Die Elemente, die wir dabei verwenden, sind nur 10 Mikrometer dick. Diese neue Sensortechnik nutzt zum Beispiel die Verbundnetz Gas AG.
In einem ganz aktuellen Forschungsprojekt geht es um die Entwicklung eines Feuchtesensors. Er soll kleinste Spuren von Feuchte, also das letzte Wassermolekül in einem Stoffgemisch entdecken. Im Kaffeepulver zum Beispiel. Mit einem solch empfindlichen Feuchtesensor lässt sich die Qualität der Lebensmittelproduktion überprüfen. Das gilt für alle Produkte, bei denen Feuchte eine Rolle spielt. Bei diesem Projekt arbeiten wir mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM in Berlin, mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR und der Dr. Wernecke Feuchtemesstechnik GmbH in Potsdam zusammen. Das ist auch ein Zeichen dafür, in welch unterschiedlichen Bereichen der Feuchtesensor angewendet werden kann. Dieses Forschungsprojekt wird über die AiF, die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“, gefördert.

optiMST: Welche Rolle spielt bei solchen Kooperationen und auch im Alltagsgeschäft der Standort des Unternehmens im Nordwesten Brandenburgs, in der Prignitz?

Dr. Stoltenberg: Unseren internationalen Geschäftspartnern ist der Standort egal. Wer aus den USA oder China nach Berlin oder Hamburg fliegt – für den ist der Weg bis nach Wittenberge nur noch ein Katzensprung. Wenn es um die Kooperation bei Forschungsprojekten geht, profitieren wir von gewachsenen persönlichen Verbindungen. Unser Firmengründer und Geschäftsführer, Dietmar Arndt, hat gute Kontakte zur Technischen Universität in Dresden, da er in Dresden ein weiteres Unternehmen führt. Ich habe viele Jahre für die Technologietransferstelle an der Technischen Hochschule in Wildau gearbeitet und kann diese Erfahrungen einbringen. Aber wir wollen mehr. Wer wissen will, was in der Branche läuft, muss sich drehen. Wir hoffen, über das Cluster Optik neue Partner zu finden. Wir wollen auch zu Instituten in der unmittelbaren Hauptstadtregion gute Beziehungen aufbauen.

optiMST: Wieso fiel die Wahl bei der Gründung der Mikrosystemtechnik GmbH auf Wittenberge als Firmensitz?
&nbsp
Dr. Stoltenberg: Der Spiritus Rector des Unternehmens, Dietmar Arndt, ist in Wittenberge geboren worden. Im Haus der heutigen Firmenzentrale ist er aufgewachsen. Das ist seine Verbundenheit mit der Heimat. Wir haben zwar die Nachteile, dass hier in der Peripherie Brandenburgs die Energie teurer ist und die Kosten für Paketdienste höher sind als in größeren Städten. Und wir sind auch ziemlich weit weg von Hochschulen. Aber wir merken, dass Heimatverbundenheit inzwischen auch bei jungen Leuten eine Rolle spielt. Bei uns arbeitet ein Student von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der gerade seine Masterarbeit schreibt. Er stammt aus der Prignitz und will wieder zurück. Da haben wir große Chancen, dass die Leute zu uns kommen. Denn in unserer Branche haben wir hier kaum Konkurrenz. Und was die Logistik angeht, setzen wir auf den Ausbau der A14. Der ist für das Unternehmen absolut wichtig.
 
optiMST: Wo sehen Sie das Unternehmen Prignitz Mikrosystemtechnik in etwa fünf Jahren?
 
Dr. Stoltenberg: Ich gehe davon aus, dass wir uns weiterhin auf Spezialanwendungen der Drucksensorik konzentrieren werden. Auch wenn wir derzeit unser Portfolio etwas erweitern, beispielsweise mit dem neuen Feuchtesensor. Die Umsätze werden stetig steigen. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei vier Millionen Euro. Für dieses Jahr sind 4,5 Millionen das Ziel. Ich bin sehr optimistisch, was die Zukunft des Unternehmens angeht. Nicht umsonst habe ich meinen Vertrag im öffentlichen Dienst an der TH Wildau gekündigt, um bei der Prignitz Mikrosystemtechnik zu arbeiten. Hier haben wir es ja selbst in der Hand, das Unternehmen voranzubringen. Ich bin davon überzeugt, dass wir neue Kunden mit neuen Sensorlösungen gewinnen werden.

optiMST: Gibt es schon Ideen für weitere Entwicklungen?

Dr. Stoltenberg: Ja, wir wollen eine trockene frontbündige Messzelle entwickeln. Das Wort „trocken“ muss deswegen so betont werden, weil Druckmesszellen normalerweise mit einer Ölfüllung arbeiten. Die Membran des Sensors reagiert auf Druck – die Ölfüllung hinter der Membran gibt die Information, wie sehr sich die Membran verformt hat, an die Elektronik weiter. Dabei besteht natürlich immer die Gefahr, dass die Membran zerstört wird und das Öl ausläuft. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn der Sensor zum Beispiel in der Kontrolle der Produktion sensibler Stoffe eingesetzt wird. Etwa in der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie. Wir wollen Informationen über kleinste Bewegungen der Membran – beispielsweise im Bereich von 12 Mikrometern – auf einem anderen Weg an die Elektronik übertragen. Dabei verfolgen wir mehrere Ansätze. Einer beruht auf unseren Erfahrungen bei der Montage von monokristallinem Silizium auf Stahl, ein anderer auf einer Technologie, die wir in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IZM in Berlin entwickeln wollen.

Das Interview führte Dr. Ute Sommer

Dr.-Ing.Zur Person:

Hartmut Stoltenberg (58) hat an der Technischen Universität Dresden Elektrotechnik/Feinwerktechnik studiert. „Heute würde man Mikrosystemtechnik sagen“, erklärt er. Nach seiner Promotion ging Dr.-Ing. Stoltenberg 1988 nach Wittenberge und arbeitete beim damaligen Nähmaschinenwerk. Anfang der 90er Jahre baute er hier das Technologiezentrum auf kurze Zeit später ging Dr. Hartmut Stoltenberg an die Technologietransferstelle der Technischen Hochschule Wildau. 2001 gehörte er zum Gründungsteam der Prignitz Mikrosystemtechnik GmbH in Wittenberge. Für die Startphase des Unternehmens ließ er sich an der TH Wildau beurlauben, kehrte dann noch einmal an die Hochschule zurück, um im 2012 endgültig in die freie Wirtschaft zu wechseln. Seit dieser Zeit ist er bei der Prignitz Mikrosystemtechnik für die Technologieentwicklung zuständig.

 

Herr Dr.-Ing. Hartmut Stoltenberg von der Prignitz Mikrosystemtechnik GmbH Dr. Ute Sommer


Kontakt:

Dr.-Ing. Hartmut Stoltenberg
Prignitz Mikrosystemtechnik GmbH
Margarethenstraße 61
19322 Wittenberge

Telefon: +49 38 77 / 5 67 46 - 30
E-Mail: h.stoltenberg@noSpamprignitz-mst.de
Internet: http://www.prignitz-mst.de