Im Herzen des Aufbaus steckt ein Quantenpunkt, wo aus einer ultrakalten Oberfläche einzelne Photonen emittiert werden. © THOSS Media GmbH
Die Einzelphotonenquelle ist in etwa so breit wie ein PC. Links im Bild ist der extrem kleine Kühler, der den Chip mit dem Quantenpunkt auf -233°C kühlt. © Stephan Reitzenstein, TU Berlin
Aktuell ist Maja Wasiluk (Mitte), Studentin an der TU Wroclaw, bei Professor Reitzenstein (links) zu Gast und bereitet mit ihm und seinem Doktoranden Jan Donges das nächste Projekt vor. © Stephan Reitzenstein, TU Berlin

Gemeinsame Quantenforschung in Polen und Berlin

In Berlin und Brandenburg sitzen rund 400 Firmen und Forschungsinstitute, die sich mit Photonik beschäftigen. Im PHOENIX-Netzwerk bauen sie Verbindungen in die ganze Welt auf.

„Ich freue mich schon auf das nächste Projekt, auf jeden Fall. Networking macht Spaß und hat viel gebracht.“ Prof. Dr. Stephan Reitzenstein, TU Berlin

 

Mit dem berühmten Quantensprung ist es so eine Sache: In den Medien steht er für eine dramatische Veränderung. Physiker wissen, dass es eigentlich die kleinstmögliche Veränderung in der Natur ist. Die Journalisten zu korrigieren, liegt ihnen fern, viel lieber forschen sie an Quanten und lassen sich von den Möglichkeiten faszinieren, die sich daraus ergeben.

So halten es auch die Partner in einem deutsch-polnischen Forschungsnetzwerk. Im „Photonics and Optoelectronics Network“ (PHOENIX) arbeiten sie seit 2012 an verschiedenen Projekten, um einerseits die Photonik (die Wissenschaft vom Licht) voranzubringen, und andererseits die Zusammenarbeit von Teams auf beiden Seiten der Oder zu fördern. In der Photonik kommen einige der wichtigsten Technologien unserer Zeit zusammen: Lasertechnik, Mikroelektronik und Quantentechnologien, zum Beispiel. Gearbeitet wird daran an vielen Orten, etwa 400 Firmen und Forschungsgruppen sind auf dem Gebiet in Berlin und Brandenburg unterwegs.

Internationale Kooperation ist dabei selbstverständlich, der Blick nach Osten ist das (noch) nicht immer. Das ändert sich aber gerade. Professor Stephan Reitzenstein von der TU Berlin hat eines der Projekte in PHOENIX geleitet: „Die Zusammenarbeit war hervorragend. Es ist einfach spannend, Leute vor Ort in Wrocław oder in Ostpolen zu erleben. Und das Know How dort hat sich perfekt mit unserer Forschung ergänzt.“

PHOENIX ist eigentlich noch viel größer angelegt. „Im PHOENIX-Netzwerk wird die Zusammenarbeit unserer Experten in Berlin und Brandenburg mit Akteuren aus den führenden Regionen der optischen Technologie weltweit gefördert. Neben Polen stehen gemeinsame Aktivitäten mit Partnern in Japan, Israel und den USA auf der Agenda“, beschreibt Gerrit Rössler, Clustermanager Optik und Photonik bei Berlin Partner die Grundidee. „Die Koordinierung des Netzwerks machen wir bei Berlin Partner gemeinsam mit OpTecBB.“ Der (OpTecBB) e.V., also das Optec-Berlin-Brandenburg Netzwerk ist das Kompetenznetz für Optische Technologien in den Ländern Berlin und Brandenburg. Die Mitglieder sind etwas über 110 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen in den zwei Bundesländern.

Die Zusammenarbeit mit Polen ist ein ganz besonderer Schwerpunkt innerhalb von PHOENIX. 2021 fand bereits die fünfte Ausschreibungsrunde einer optik- und photonikspezifischen Förderausschreibung statt, wobei drei Kooperationsprojekte mit insgesamt 16 Partnern für die nächsten drei Jahre gefördert werden. „Wichtig ist für uns dabei immer, dass nicht nur die Spitzenforschung beteiligt ist, sondern auch die innovativen und anwendungsorientierten kleinen und mittelständischen Unternehmen“ erklärt Gerrit Rössler die Strategie.

Einzelne Photonen für die Quantenkommunikation erzeugen

Um ein einzelnes Photon, also wirklich genau ein Lichtteilchen, zu erzeugen, braucht es den berühmten Quantensprung. Den führt ein Elektron aus und gibt dabei ein Photon ab. Das passiert um uns herum ständig, jede Lichtquelle macht das viele viele Male pro Sekunde. Die Kunst ist es, genau ein Photon zu erzeugen, nicht mehr und nicht weniger. Und das auch noch auf Kommando.

Das im Rahmen des PHOENIX-Netzwerks geförderte Projekt FI-SEQUR hat dafür ein elektronisches System aufgebaut, nicht viel größer als ein Schuhkarton, wie Projektleiter Professor Stephan Reitzenstein bestätigt. „Mit den fünf Partnern aus Polen und Berlin ist es uns gelungen, den Aufbau so weit zu optimieren, dass er so klein ist und trotzdem eine hohe Reinheit der Photonen liefert.“

Reinheit bedeutet, dass die Photonen eben nicht als Zweier- oder Dreierpulse ausgelöst werden, sondern als möglichst reine Einzelphotonen. Sicher kann man das auch durch die Abschwächung normaler Laserpulse erreichen. Da allerdings ist die Reinheit schlecht – zu oft sind doch noch mehrere Photonen in einem Puls.

Wozu braucht man Einzelphotonen?

Eine Einzelphotonenquelle ist praktisch die schwächste Lichtquelle, die es gibt. Eine Katze hätte vielleicht eine Chance, das Licht noch zu sehen, für das menschliche Auge ist es zu schwach. Für die Quantenkommunikation dagegen ist es perfekt.

Die Information wird bei dieser Form der Quantenkommunikation über die Polarisation des Photons übertragen. Dafür muss man sich dieses kleine Lichtteilchen als Welle vorstellen: Wie ein Regenwurm schlängelt sich diese Welle durch den Raum. Gemessen wird die Welle mit einer Art Schlitz, die Physiker sprechen hier von einem Polarisator. Schwingt die Welle parallel zu diesem Schlitz, kommt sie durch und kann dahinter gemessen werden. Schwingt sie senkrecht zum Schlitz, kommt sie nicht durch.

So können die Einzelphotonen Signale übermitteln, die dem Status 1 oder 0 der Digitaltechnik entsprechen. Ob die Photonen in der einen oder anderen Ebene schwingen, ist rein zufällig. Eine Sequenz von Einzelphotonen ergibt deshalb nach dem Spalt einen Code der als eine lange Zufallszahl gesehen werden. Mit diesem Code können dann Nachrichten verschlüsselt und über normale Kanäle verschickt werden. Die Methode der Verschlüsselung wird als Quantenkryptographie bezeichnet.

Die Sicherheit der Übertragung wird dabei durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet. So dreht der Sender die Polarisation des Photons zufällig. Dem Empfänger teilt der Sender erst später mit, wie der Drehwinkel war. Erst dann wird der Schlüssel für den Empfänger verständlich. Außerdem sieht der Empfänger in der Statistik der empfangenen Signale, ob die Sendung abgefangen wurde.

Quantenpunkte – Kleinste Strukturen für die Hochtechnologie

Die Einzelphotonenquelle des FI-SEQUR-Projektes vereint Spitzentechnologie aus Berlin und Polen. Die Idee für die eigentliche Quelle kam vom Institut für Festkörperphysik der TU Berlin. Dort werden seit Jahren sogenannte Quantenpunkte entwickelt. Dafür werden winzige Tropfen eines Halbleitermaterials auf eine extrem saubere Oberfläche eines anderen Halbleiterkristalls gebracht. Diese Stellen werden noch sehr speziell nachbehandelt, aber dann verhalten sie sich optisch wie ein einzelnes Atom, obwohl eigentlich noch mehrere Tausend Atome (was auch sehr wenig ist) beieinander liegen.

Man kann sich das wie eine LED mit einem Atom vorstellen. Sie wird mit einem Laserstrahl „angeschaltet“ und gibt dann genau ein Photon ab. Auch hier passiert wieder ein Quantensprung eines Elektrons, bei dem ein Photon emittiert wird. Damit das so funktioniert, muss der Halbleiterkristall mit dem Quantenpunkt allerdings sehr stark gekühlt werden. Dann gibt es Einzelphotonen auf Knopfdruck, das ist eine entscheidende Voraussetzung für die Quantenkommunikation über Glasfasernetzwerke. Und das System aus dem FI-SEQUR-Projekt ist weltweit das erste, dass das so rein in so einer kleinen Bauform kann.

Eine wirklich coole Sache…

Auf dem Weg vom Laboraufbau zu einem industrietauglichen Gerät mussten im Verbund viele Probleme gelöst werden. Das erste war sicherlich die Kühlung. 40 Kelvin oder -233 Grad Celsius braucht so ein Quantenpunkt, um zuverlässig zu funktionieren. Flüssiger Stickstoff hat etwa -196 C, das wäre noch zu warm und für ein Gerät, das in einer normalen Computerumgebung arbeiten soll, zu umständlich. Die Lösung fand das Team an der TU Berlin in einem Stirling-Kühler. Dieses System ist technisch gesehen ein entfernter Verwandter unseres Kühlschranks, der über ausgefeilte Wärmetauschertricks Temperaturen im gewünschten Bereich ermöglicht. Das etwas mehr als faustgroßes System schafft es, die winzige Lichtquelle in 15 min auf Betriebstemperatur zu kühlen.

Kein Photon zu viel und keins zu wenig

Glasfasern sind heute der übliche Weg, um Daten im Internet zu transportieren. Dafür benutzt man Laserlicht bei Wellenlängen, die minimale Verluste in der Glasfaser haben. Das ist wichtig, weil die Abschwächung des Signals in 1 km Faser dieselbe ist, wie in einem 1.000 m dicken Glasblock. Das Glas in den Fasern ist so rein, dass die Lasersignale erst nach vielen Kilometern verstärkt werden müssen.

Für eine Einzelphotonenquelle ist jedes Photon kostbar, daher wurden die Quantenpunkte so konstruiert, dass die ausgesandten Photonen Wellenlängen im Bereich von 1300 nm haben. Das ist genau einer der Bereiche (Telekom O-Band), wo die Absorption von kommerziellen Glasfasern minimal ist. Damit ist auch sichergestellt, dass die Photonen über herkömmliche Glasfasern verschickt werden können.

Zum „Anschalten“ der Quantenpunkte wird ein anderes Laserlicht verwendet. Dieses Licht kann sich in dem kompakten Aufbau störend den einzelnen Photonen überlagern. Deshalb wird das einfallende Laserlicht durch maßgeschneiderte optische Faserfilter geschickt, damit kein Photon zu viel das ausgehende Signal verfälscht.

Last but not least: Die Feinstarbeit

Die einzelnen Photonen werden schon im Gerät in eine Glasfaser eingekoppelt. Das hat zwei Vorteile: Einerseits ist diese Kopplung sehr robust und langzeitstabil, so dass keine Photonen verloren gehen. Andererseits können sie über einen Faserstecker am Gehäuse des Gerätes gleich in die Transportfaser weitergereicht werden.

Die technische Herausforderung ist dabei, die hauchdünne Glasfaser so über dem Quantenpunkt-Bauelement zu platzieren, dass sie die Photonen optimal auffängt. Die Faser muss dafür auf 50 nm genau positioniert werden. Zum Vergleich: Ein Haar ist etwa 0,06 mm dick. Das ist etwa das Tausendfache von 50 nm. Die Justierung des Faserendes zum Quantenpunkt-Bauelement muss also genauer als eine Tausendstel Haarbreite sein. Damit da nichts verrutschen kann, werden Bauelement und Faser fest miteinander verklebt.

Dadurch ist die Faser in Kontakt mit dem ultrakalten Quantenpunkt-Bauelement. Die polnischen Wissenschaftler haben dafür eine eigene Spezialfaser entwickelt, die selbst bei -233 Grad nahezu alle Photonen einsammelt. Die fasergekoppelte Quantenpunkt-Einzelphotonenquelle ist damit gleichzeitig ein Plug- and Play-Bauelement, das auch für andere Projekte genutzt werden kann.

Wer hat was gemacht?

Am Ende ist es schwierig, alle Beiträge der Teamarbeit gleichermaßen zu würdigen. Projektleiter Reitzenstein versucht es im Interview: „Die Berliner Softwarefirma JCMwave war zuständig für das Design der Bauelemente und für die numerische Optimierung. Sie haben die Bauteilgeometrie optimiert, so dass wir an der TU Berlin die Strukturen mit einer weltweit einzigartigen Lithografiemethode extrem kontrolliert herstellen konnten.“ Mehrere Iterationen waren nötig, um die erste Einzelphotonenquelle dieser Art auf die nötige Reinheit und Effizienz zu trimmen. Die Adlershofer PicoQuant GmbH war zuständig für den Laser zur Anregung der Quantenpunkte.

„Die extrem speziellen Glaserfaserkomponenten sind kommerziell nicht erhältlich. Da hat sich der polnische Partner FiBrain bestens eingegliedert“ erzählt Reitzenstein, „die haben die Fasern entwickelt, erprobt und perfekt für die Anwendung optimiert.“ Unterstützt wurden sie dabei von Forschungsgruppen an den Universitäten in Wrocław und Lublin, die sich intensiv an der Simulation und Charakterisierung der Fasertechnologie engagiert haben. An den Unis in Berlin und Wrocław wurden die extrem feinen Nanostrukturen der Quantenpunkte charakterisiert und die Messtechnik entwickelt, um die Faser ultragenau am Quantenpunkt zu positionieren. Am Ende waren es noch viel mehr Aufgaben und Meilensteine, die das deutsch-polnische Team erfolgreich gemeistert hat.

Wie es weitergeht

„Letztendlich ist ein Gerät rausgekommen, dass direkt für die Anwendung nutzbar ist“ fasst Professor Reitzenstein den Erfolg zusammen. Die einzelnen Technologien werden den jeweiligen Partnern erheblichen Nutzen bringen, denn die Quantentechnologie steckt noch in den Kinderschuhen. Derzeit wird da enorm viel Geld in die weitere Entwicklung investiert – die Projektpartner werden daran partizipieren. Der Prototyp ist weiter im Test, neue Partnerschaften zeichnen sich ab.

„Ich freue mich schon auf das nächste Projekt, auf jeden Fall. Das Networking macht Spaß und hat viel gebracht.“ Spannend waren auch die Projekttreffen. Zum Beispiel in Rzeszow, wo FIBRAIN sitzt. „Das ist kurz vor der ukrainischen Grenze, da sieht man die aktuellen Ereignisse mit einem ganz anderen Blick.“ Dabei wird die menschliche Komponente sichtbar, die bei all den wissenschaftlich-technischen Kontakten doch nie zu vernachlässigen ist. Die wird im PHOENIX- Netzwerk weiter kultiviert, und zwar über alle Grenzen hinweg.

 

Dieser Artikel wurde von Herrn Dr. Andreas Thoß im Auftrag des Clusters Optik und Photonik Berlin Brandenburg verfasst.

Das Photonics and Optoelectronics Network PHOENIX ist ein Internationalisierungsnetzwerk des Clusters Optik und Photonik Berlin Brandenburg und wird gefördert durch das Programm "Berlin goes International" der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union.