Interview mit Ute Franke und Dr. Jean Blondeau - Gründer und geschäftsführende Gesellschafter von 5micron GmbH

„Wir entwickeln optische Messmethoden und -systeme für außergewöhnliche Anwendungsfelder. Dem Standort Berlin-Brandenburg sind wir durch unsere langjährige Berufstätigkeit in der Region eng verbunden und schätzen die kurzen Wege zu Kooperationspartner und Kunden.” - Ute Franke und Dr. Jean Blondeau, Gründer von 5micron GmbH im optiMST-Interview über ihre innovativen Messmethoden und Kooperationswünsche am Standort.

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INTERVIEW

1. optiMST: Das Start-up 5micron entwickelt optische Messmethoden und -systeme für außergewöhnliche Anwendungsfelder. Welche Themen bearbeiten Sie mit 5micron und wie ist das Unternehmen entstanden?

height Ute Franke Ben Breidbach

Ute Franke:
Wir sind spezialisiert auf hochpräzise Messungen auf großen oder entfernten Objekten, der geometrischen Vermessung von unzugänglichen und „versteckten” Oberflächen, auch unter schweren Umweltbedingungen wie Vibrationen oder extremer Hitze oder Kälte. Unser Schwerpunkt ist dabei die Erstellung der Analysesoftware. Mit unseren optimierten Algorithmen sorgen wir für eine hohe Geschwindigkeit der Datenerfassung und Bildanalyse. Unsere berührungslosen Systeme sind als mobile oder stationäre Systeme einsetzbar in kleinsten Räumen, auch unter widrigsten Lichtverhältnissen und anwendbar auf vielfältigen Oberflächen und Materialien.

 

height Dr. Blondeau Ben Breidbach

Dr. Blondeau:

Frau Franke und ich haben vor der Gründung von 5micron über 10 Jahre bei einem Zulieferer der Luftfahrtindustrie zusammen gearbeitet. Dabei ist eine sehr vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit entstanden, die wir mit unseren fachlichen Schwerpunktthemen dann bei 5micron neu ausgerichtet haben.

 

2. optiMST: Welche Messmethoden verwenden Sie und wie hoch ist die Genauigkeit?

Dr. Blondeau:
Wir entwickeln miniaturisierte Messsysteme für minimal invasive Messungen, zum Beispiel für die Früh-Erkennung von sehr kleinen Beschädigungen in Oberflächen. Dabei geht es nicht nur um die Gefahrenerkennung, sondern auch um die Vorhersage des Lebenszyklus-Zustands.

Wir messen, prüfen und charakterisieren Oberflächen und Formen auf der Basis verschiedener bildgebender und bewährter Verfahren und Systeme, wobei wir für die Sensorik bevorzugt auf Hardwarekomponenten zurückgreifen, die wir von Partnerfirmen zukaufen. Ein Beispiel ist die Deflektometrie die wir für geometrische Messungen wie Längen, Torsion oder Oberflächenrauheit mit einer Genauigkeit von 50 Mikrometer einsetzen. Mit der Schattenwurfmethode erreichen wir für eine Defektinspektion eine Genauigkeit von 20 Mikrometern. Mit der Musterprojektion können wir Oberflächenstrukturen mit einer Genauigkeit von 5 Mikrometer analysieren.

 

3. optiMST: Für welche Branchen arbeiten Sie, für welche Anwendungsgebiete sind Ihre Systeme einsetzbar und welche Vorteile haben Ihre Kunden von den Systemen?

Ute Franke:
Eine Schwerpunktbranche ist für uns die Luftfahrtindustrie wie zum Beispiel der Kunde Airbus und ein Triebwerkshersteller. Wir können beispielsweise die Flügel und die Oberflächen während des Fluges vermessen oder bei Werkstattinspektionen exakte Analysen zum Zustand der Turbinenschaufeln erstellen. Unsere Systeme sind als flugtauglich zugelassen und arbeiten bis -55 Grad Celsius, Vibrationen und Sonnenlicht absolut zuverlässig. Ziele unserer Kunden sind u.a. die Erhöhung der allgemeinen Sicherheit und eine Prognose über die Haltbarkeit der Materialien, um zum Beispiel Wartungszyklen zu verlängern. Mit unseren Methoden können auch Schäden in der tieferliegenden Struktur und an verdeckten Stellen erkannt werden. Mit Airbus arbeiten wir auch gemeinsam im EU-Forschungsprogramm „CleanSky” zum Thema „laminare Strömung” - dabei geht es um die Prüfung und Vermeidung von Luftwirbeln, um die Treibstoffkosten und den Schadstoffausstoß zu senken.

Dr. Blondeau:
Unsere Systeme sind auch für andere Branchen der Fahrzeug- und Verkehrstechnik sehr interessant. Mit Zulieferern der Bahnindustrie verfolgen wir ein Projekt zu den Themen Radverschleiß sowie Schienen- und Karosseriezustand. Die Messungen können während ganz normaler Alltagseinsätze auch bei höheren Geschwindigkeiten durchgeführt werden.

Wir können auch Objekte in großer Entfernung und alle Arten von Materialien messen - wie beispielsweise Metalle, Verbundwerkstoffe und Kunststoffe.

 

4. optiMST: Wie sollen sich Ihre Systeme weiterentwickeln?

Dr. Blondeau:
Wir können bereits jetzt Online-Diagnosen anbieten und auch die Verarbeitung von Bildern, die von fremden Systemen aufgenommen wurden - sie müssen allerdings hochaufgelöst sein. In Zukunft sollen weitere Serviceleistungen angeboten werden, wie Software as a Service oder die Skalierung unserer Messsysteme, zum Beispiel messen mit dem Smartphone. Ergänzend arbeiten wir an der Unterstützung von in-line Fertigungsprozessen und einer Wertsteigerung von existierender Bildverarbeitung in Fertigungsstrecken durch unsere Analysemodule.

 

5. optiMST: Welche Rolle spielt für Sie der Standort Berlin-Brandenburg und welche weiteren Kooperationen wünschen Sie sich?

Ute Franke:
Wir sind dem Standort durch unsere langjährige Berufstätigkeit in der Region eng verbunden und schätzen die kurzen Wege zu Kooperationspartner und Kunden. Es gibt in der Region viele pfiffige Leute in unserer Branche, eine tolle Forschungslandschaft und viele innovative kleine Unternehmen. Gut für den Standort wären sicherlich mehr große Unternehmen, die als starke Partner und Kunden den Vertrieb und strategische Kooperationen unterstützen könnten.

Insgesamt haben wir bereits ein gutes Netzwerk, freuen uns aber sehr über weitere Kooperationen - für die Entwicklung und Vermarktung von Produkten in den verschiedensten Branchen zum Beispiel Unternehmen, die im Bereich Optik, Messtechnik und bildgebende Verfahren einen guten Marktüberblick haben. Auch ein Partner für die Serienfertigung und -vermarktung wäre für uns sehr interessant.

 

6. optiMST: Welche Entwicklungen erwarten Sie in der Zukunft im Bereich Ihrer Arbeit und wie soll sich das Unternehmen weiterentwickeln?

Ute Franke:
Der große Trend der nächsten 10 Jahre wird das Filtern von Datenmasse zu Datenklasse sein - und genau dieses Thema bearbeiten wir ja bei 5micron. Im Moment arbeiten wir bereits mit zwei festen Mitarbeitern an zwei Standorten in Adlershof und Wildau. Für das weitere Wachstum in unserem sehr interessanten Markt freuen wir uns auch über den Kontakt zu einem kompetenten Investor, der unsere weitere Entwicklung begleiten möchte.

Das Interview führte Markus Wabersky

VITA

Dipl.-Ing. Ute Franke

Über 15 Jahre Erfahrung im Bereich Luftfahrt hatten Ihren Start bei dem Brandenburger Luftschiff-Entwicklungsprojekt Cargo Lifter AG in Brand. 2002 wechselte sie zum Luftfahrtzulieferer FTI Engineering Network GmbH nach Berlin. Dort baute sie zuerst als Key Account Manager die Geschäftsbeziehung zu Rolls-Royce Deutschland und Embraer auf. Anschließend realisierte sie nationale und internationale Forschungsprojekte im Luftfahrtbereich im Konsortium und baute die Abteilung „New Technologies” auf. Seit 2015 ist sie eine der beiden Gründer und Geschäftsführerin des Start-Up Unternehmens 5micron GmbH in Berlin Adlershof.

 

Dr. Jean Blondeau

Nach seinem Studium der Ingenieurwissenschaft und Biologie in Brüssel und Promotion in Biologischer Kybernetik in Tübingen war er 10 Jahre freiberuflich in der Industrie-Organisation und Messtechnik in Würzburg tätig, um dann die technische Geschäftsführung bei der Metronom GmbH bis 2001 zu übernehmen. Der Einsatz seiner Messtechnologien fand vor allem in den Branchen der Bahn- und Automobilindustrie statt. Rund ein Jahrzehnt hat er dann bei dem Brandenburger Luftfahrtzulieferer FTI Engineering Network GmbH zuerst die Niederlassung in Bremen und die Betreuung des Kunden Airbus aufgebaut. Seit 2014 ist er selbständiger Unternehmer und Mitgründer des Start-Up Unternehmens 5micron GmbH.

 

KONTAKT

Dipl.-Ing. Ute Franke
5micron GmbH
Rudower Chaussee 29
12489 Berlin
E-Mail: ute.franke@noSpam5micron.de
Tel.: +49 171 364 78 49