Interview mit Dr. Katja Schulze und Kilian L. Moser von der Oculyze GmbH - Mikroskopie to go

Die Neuentwicklung der Oculyze GmbH macht derzeit in Bierbrauerkreisen die Runde. Das Start-up aus Wildau hat ein System für die mobile Mikroskopie entwickelt. Einige Bierbrauer nutzen dieses System bereits, um den Anteil der lebenden Hefezellen zu bestimmen und so die Qualität des Brauprozesses zu kontrollieren. Doch: „Wir sind erst am Anfang der Reise“, sagt Kilian L. Moser, einer der Geschäftsführer der Oculyze GmbH. Im Interview erklären er und die Mitgründerin Dr. Katja Schulze, in welchen Branchen sich die mobile Mikroskopie etablieren könnte.

height
Ocuylze, Foto: Ute Sommer

Kurzporträt

Die Oculyze GmbH ist ein Start-up aus Wildau. Die Gründungsidee: die mobile automatisierte Analyse von Mikroskopbildern mithilfe von Smartphonekamera und einer cloudbasierten Bilderkennungssoftware. Neben der Software haben die Gründer von Oculyze ein abnehmbares optisches Modul fürs Smartphone entwickelt, welches eine 400-fache Vergrößerung erlaubt. Das junge Unternehmen ermöglicht Zellanalysen unabhängig von teuren Laborgeräten und besonders geschultem Fachpersonal. Dabei ist die Neuentwicklung von Oculyze „kein Konkurrenzprodukt für Labore“, betont Kilian L. Moser, Geschäftsführer des Start-up. Vielmehr würden neue Märkte erschlossen. So ist der Prototyp des Oculyze Smartphone-Mikroskops für den Einsatz in Bierbrauereien gedacht: Mit der Analyse der Konzentration von Hefezellen im Brauprozess lässt sich die Qualität der Produktion überwachen. Das aus der Abteilung „Molekularbiologie und funktionelle Genomik“ an der Technischen Hochschule Wildau hervorgegangene Start-up hat mehrere Auszeichnungen erhalten. So hat es im April 2016 den ersten Platz in der zweiten Runde des Businessplan Wettbewerbs Berlin-Brandenburg in der Kategorie „BPW Plan“ belegt. Im Juni kam das Team beim Science 4 Life, dem größten deutschsprachigen Life Science Wettbewerb, auf den vierten Platz.

Interview

optiMST: Wie funktioniert die mobile Mikroskopie?

Dr. Katja Schulze: Für das Oculyze Smartphone-Mikroskop haben wir nicht die traditionelle Optik verwendet, die in üblichen Mikroskopen zum Einsatz kommt. Sonst hätten wir einen&nbsp optischen Aufsatz nutzen müssen, der nicht mehr in die Hosentasche gepasst hätte. Wir haben eine alte Methode wiederbelebt, die zwar einige technische Herausforderungen mit sich brachte, aber das kann das Smartphone mit seinen Eigenschaften wieder ausgleichen. Wie genau die Komponenten zusammenarbeiten, verraten wir nicht – das ist unsere Neuentwicklung. Die Probe, die analysiert werden soll, wird auf einen Objektträger aufgebracht und in dem optischen Modul fürs Smartphone fixiert. Die Bilder werden über eine mobile Datenverbindung oder WLAN an unsere Server gesendet. Hier werden die Bilder automatisch ausgewertet. Die Analyseergebnisse bekommt der Nutzer innerhalb weniger Sekunden auf seinem Smartphone angezeigt. Bisher bieten wir das Oculyze Mikroskop mit einer Android-App für LG-Geräte. In Zukunft wird das System&nbsp auch für andere Android-Smartphones und für iPhones verfügbar sein.

optiMST: Mit Ihrer Neuentwicklung ist die Analyse der Konzentration von Hefezellen möglich – ein Angebot, das für Brauereien sehr interessant ist. Warum haben Sie sich zum Start auf diese Branche konzentriert?

Dr. Katja Schulze: Das Problem bei der Bilderkennung in der Biologie ist, dass man keine klaren Objekte hat, die leicht zu identifizieren wären. Die Objekte treten mit zahlreichen Varianzen auf. Das bedeutet, dass für ein automatisiertes System viele Daten gesammelt werden müssen, damit es die Unterschiede erkennen kann. Bei der Hefeanalyse sind die Varianzen vergleichsweise gering. Das bedeutet einen geringeren Entwicklungsaufwand – und so konnten wir den Prototypen schneller auf den Markt bringen. Wir haben den Hefe-Zellzähler gemeinsam mit drei renommierten Brauereien und der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin entwickelt. Im vergangenen November waren wir auf der BrauBeviale in Nürnberg, einer Fachmesse der Getränkewirtschaft. Wir sind dort mit unserem Produkt auf eine sehr positive Resonanz gestoßen. Für Bierbrauer ist es wichtig, die Anzahl der lebenden Hefezellen bei der Fermentation zu kennen. Denn sie ist einer der Faktoren, die über Geschmack und Qualität eines Bieres entscheiden.

optiMST: Wo sehen Sie weitere Einsatzmöglichkeiten für die Smartphone Mikroskopie?

Kilian L. Moser: Der Hefe-Zellzähler war wirklich nur der Start. Unsere Vision ist es, überall dort, wo mobile mikroskopische Analysen sinnvoll sind, das Oculyze Mikroskop anzubieten. Es gibt so viele Einsatzmöglichkeiten: die Veterinär- und Humanmedizin, Umwelttechnologien und sogar Faseranalysen. Je bekannter wir werden, desto mehr Leute kommen zu uns, die unsere Entwicklung anwenden wollen. Dabei ist die smartphonebasierte automatisierte Bildanalyse von Oculyze kein Konkurrenzprodukt für automatisierte Labore.

Dr. Katja Schulze: Beispiel Humanmedizin: Wenn hier in Arztpraxen Blutproben von Patienten genommen werden, kommt der Kurierdienst, bringt die Proben zum Labor und in kurzer Zeit sind die Ergebnisse da. Der Mehrwert der automatisierten Bilderkennung wäre gering. Aber in der 3. Welt oder in Flächenländern gibt es Bedarf für unsere mobile Mikroskopie. Dort können wir das Labor zum Patienten bringen – statt die Probe ins Labor.

optiMST: Welchen Beitrag kann der Standort Brandenburg für das Wachstum der Oculyze GmbH leisten?

Kilian L. Moser: Wir haben in Brandenburg bereits Partner für das nächste Projekt gefunden. Wir wollen ein Set für den Nachweis von Entzündungen der Gebärmutter bei Kühen entwickeln. Das ist ein wichtiger Test, den die Tierhalter leider zu selten machen. Denn der Aufwand ist bisher groß: Proben entnehmen, ins Labor schicken, auf die Ergebnisse warten und dann die Kuh wiederfinden. Mit dem Smartphone Mikroskop geht das viel schneller. Dabei arbeiten wir mit dem IFN, dem Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere in Schönow, zusammen. Beim Oculyze Hefe-Zähler haben wir ja mit Partnern in Berlin zusammengearbeitet. Die Hauptstadtregion ist also für uns durchaus interessant. Und grundsätzlich muss ich sagen, dass wir hier in Wildau mit der Unterstützung durch die Technische Hochschule sehr, sehr zufrieden sind. Wir hoffen darauf, über Netzwerke weitere Partner zu finden. Partner, die uns zum Beispiel beim Vertrieb unseres Smartphone Mikroskops unterstützen oder auch in die Produktion des optischen Moduls einsteigen. Das gibt uns Freiraum für weitere Entwicklungen. Wir verdienen das Geld nicht mit der Hardware, sondern mit den Analysen, für die wir eine Plattform bieten. Ende des Monats Januar steht die Finanzierung des Unternehmens. Dann können wir für die Entwicklungsarbeit auch neue Leute einstellen.

optiMST: Was reizt Sie an der Selbstständigkeit?

Kilian L. Moser: Ich habe für diese Unternehmensgründung meine Stelle bei Porsche in Miami aufgegeben. Ich war insgesamt mehr als sechs Jahre bei Porsche und von allen Orten, an denen ich bisher gearbeitet habe, habe ich mich hier am wohlsten gefühlt. In den fünfeinhalb Jahren in Miami habe ich mich konstant weiterentwickelt und bin über das strategische Marketing zur Verantwortung für die variable Marge und die Business Pläne für die Importeure gekommen. Trotz der spannenden Aufgaben hatte ich immer das Gefühl, dass ich noch mehr leisten könnte und dass ich gerne noch näher am Produkt und am Markt wäre, um die Business Pläne nicht nur zu überprüfen und auf dem Papier zu verbessern, sondern eben auch umzusetzen und mehr zu bewegen. Wenig Spaß und Sinn macht die Menge an Bürokratie, die man gerade bei der Firmengründung bewältigen muss. Da muss Deutschland noch mehr tun, um international konkurrenzfähig zu werden. Unternehmen sind nicht mehr so wie vor 100 Jahren, auch der Staat könnte „leaner“ werden.

Dr. Katja Schulze: Allein hätte ich diesen Schritt nicht gewagt. Aber im Team ja. Man lernt wirklich viel dazu, bekommt eine andere Sicht auf die Dinge. Die Einblicke in den betriebswirtschaftlichen Bereich waren für mich ganz neu. Jeden Tag kommt etwas Neues, worüber wir uns Gedanken machen müssen. Das ist interessant. Ich bin überzeugt, dass unsere Arbeit ein Erfolg wird.

Das Interview führte Frau Ute Sommer.

Zu den Personen:

height
Punktzehn/Ulrich Löser, Foto (v.l.): Martin Kluth, Dr. Ulrich M. Tillich, Kilian L. Moser, Dr. Katja Schulze

Kilian L. Moser wurde in Venezuela geboren und ist dort aufgewachsen. An der ESB Reutlingen und der ICADE Madrid hat er Betriebswirtschaft studiert. Im Alter von 25 Jahren ging er für Porsche nach Miami in Florida, um von dort aus das Vertriebsnetz des Automobilherstellers in Lateinamerika weiterzuentwickeln. Im Oktober 2015 kam Kilian L. Moser zurück nach Wildau, um Oculyze mitzugründen. Der Betriebswirt ist 32 Jahre alt. Er ist einer der Geschäftsführer der Oculyze GmbH.

Dr. Katja Schulze stammt aus Berlin. In Wildau hat die heute 31-Jährige Biosystemtechnik und Bioinformatik studiert. 2014 hat sie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg im Fachbereich Biologie promoviert. Ihre Dissertation über die automatisierte Bilderkennung bei Gewässerproben zum Nachweis von Phytoplankton ist die Basis für den Aufbau der Firma Oculyze GmbH. Dr. Katja Schulze gehört zu den Gründern der Oculyze GmbH und arbeitet hier auf dem Gebiet der Bilderkennung.

Kontakt:
Dr. Katja Schulze / Kilian L. Moser
Oculyze GmbH
Telefon: +49 3375 508-753
E-Mail: kmoser@noSpamoculyze.de
Internet: www.oculyze.de