Niels Grabbert (links) und Dominic Roth (rechts), Fotocopyright: Stenon GmbH

Interview mit Niels Grabbert, Geschäftsführer der Stenon GmbH in Potsdam: Der schlaue Spaten

Die Stenon GmbH entwickelt ein Gerät zur mobilen Bodenanalyse in der Landwirtschaft. „Dieses System ist gerade für Gemüsebauern super interessant“, sagt Niels Grabbert, einer der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. Im April 2018 ging Stenon als Zwei-Mann-Betrieb an den Start. Inzwischen sind fünf Mitarbeiter hinzugekommen. Bis Ende 2019 sollen insgesamt 15 Arbeitsplätze entstehen.

Kurzporträt

Niels Grabbert und Dominic Roth – der eine Mikrosystemtechniker, der andere Wirtschaftsingenieur – gründeten die Stenon GmbH 2018 in Berlin. Noch im selben Jahr erfolgte der Umzug nach Potsdam. „Wir brauchen die Nähe zur Fläche, zur Landwirtschaft“, erklärt Niels Grabbert. Das Land Brandenburg bot sich an. Mit FarmLab – so der Name der Neuentwicklung des jungen Unternehmens – sollen Landwirte mehrere Parameter ihrer Böden wie Nährstoffgehalt, Bodenfeuchtigkeit und Bodentextur in Echtzeit analysieren können. Die Landwirte gewinnen dadurch Zeit und Unabhängigkeit. Denn bisher müssen sie Bodenproben entnehmen und zur Analyse in externe Labors schicken. Das passiert jetzt alles direkt auf dem Feld. Eine Messung dauert nur wenige Sekunden. Gemeinsam mit zehn Pilotlandwirten aus Brandenburg, aber auch aus Nordrhein-Westfalen und süddeutschen Bundesländern wird das System derzeit in der Praxis getestet. Anfang des nächsten Jahres soll der Verkauf des dann ausgereiften Systems beginnen.

Interview

optiMST: Das FarmLab sieht aus wie ein auf Hochglanz polierter Spaten. Was genau kann das Werkzeug?

Niels Grabbert: Ich nenne es den „schlauen Spaten“. Der Landwirt sticht ihn in den Boden ein – und die Sensoren im Spaten ermitteln in einer Tiefe von 0 bis 30 Zentimetern den Gehalt von Nitraten und Ammoniumstickstoff im Boden, von Kalium, Phosphor und Magnesium. Gemessen werden zudem die Temperatur und Feuchtigkeit des Bodens sowie der pH-Wert. Auch die Bodenart mit ihrer jeweiligen Textur wird ermittelt. Nach 15 bis 20 Sekunden sind alle nötigen Daten erfasst. FarmLab hat ein Webinterface. Es gibt die Option, das Gerät mit dem Handy zu koppeln. So können die Daten direkt in der Cloud abgespeichert werden. Aber auch der „schlaue Spaten“ selbst hat genug Speicherkapazität, um die Ergebnisse von mehr als 1000 Messungen abzulegen.

optiMST: Ihr seid doch aber nicht die Ersten, die auf die Idee der mobilen Bodenanalyse gekommen sind…

Niels Grabbert: Aber wir haben die genaueren Ergebnisse. Wir haben kein Wettbewerbssystem gefunden, dass die Nährstoffe im Boden mit der Zielqualität bestimmen kann wie unseres. 

optiMST: Was macht ihr anders?

Niels Grabbert: Ein Beispiel: Die Bodenfeuchtigkeit wird häufig indirekt bestimmt, indem man die Leitfähigkeit des Bodens misst. Aber die Leitfähigkeit wird längst nicht nur durch den Wasseranteil im Boden beeinflusst. Sie ist auch abhängig von den Ionen im Erdreich. Das kalkulieren wir mit ein. Wir haben eine Software entwickelt, die verschiedene Datenpunkte kombiniert und dadurch eine sehr gute Schätzung ermöglicht. Pro Messung erfassen wir mehr als 5000 Datenpunkte. Mehr möchte ich nicht verraten. Für unsere Entwicklung haben wir im vergangenen Jahr ein Patent beantragt. Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahr weitere Patente folgen werden. Wir haben auch einige Sensoren selbst gebaut.
In der ersten Entwicklungsstufe bieten wir das System als mobile Variante an. Der Landwirt nimmt den Spaten in die Hand und geht zur Bodenanalyse aufs Feld. Das bedeutet: Dieses System ist gerade für Gemüsebauern super interessant. Denn hier sind die Felder etwas kleiner und bei den hochpreisigen Produkten wird auch noch mehr auf Handarbeit gesetzt. Da ist der zusätzliche Spatenstich kein besonderer Aufwand. Unser System kann gerade jetzt – in Zeiten der neuen EU-Düngemittelverordnung – gute Dienste leisten. Die EU will verhindern, dass Böden überdüngt werden und die Umwelt Schaden nimmt. Nicht nur deswegen wollen die Landwirte mehr Informationen über ihre Böden haben. Sie wollen selbst schauen, was nicht stimmt, und die Düngung optimieren.

optiMST: Ein halbes Jahr nach der Gründung in Berlin ist die Stenon GmbH nach Potsdam gezogen. Was hat der Standortwechsel gebracht?

Niels Grabbert: Wir hatten uns bewusst für Potsdam in Brandenburg entschieden. Denn wir brauchen die Nähe zur Fläche, zur Landwirtschaft. 3000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Berlin – das ist nicht so sinnvoll für unsere Zwecke. Heute kommen fünf unserer zehn Pilotlandwirte, die unser System testen, aus Brandenburg. Wir haben die Landwirte zum Teil über unsere Website gewonnen, aber auch über die Vermittlung durch das Ernährungscluster in Brandenburg. Netzwerke sind für unsere Arbeit wichtig. Wir haben hier Kontakte aufgebaut zum Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie ATB in Potsdam. Die Agrartechniker unterstützen uns bei der Validierung unserer Sensoren. Wir haben dort Zugang zu den Laboren, können testen, wie robust unsere Technik sein muss, und können mit den Fachleuten diskutieren, welche Arten der Bodentextur gemessen werden sollten. Stand heute haben wir ein System, das 80 Prozent der gängigen Bodentexturen im Gemüseanbau erkennt und untersucht. Erste Kontakte gibt es auch zum Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau IGZ in Großbeeren. Dort wollen wir ein gemeinsames Forschungsprojekt initiieren. Der Antrag ist schon eingereicht. Und noch etwas spricht für Brandenburg. In einem Land mit einem starken Agrarsektor ist die Förderwahrscheinlichkeit in diesem Bereich höher. Bisher profitiert die Stenon GmbH vom Förderprogramm „Gründung innovativ“. Wir haben auch einige Risikokapitalgeber an Bord, um die Finanzierung unserer Entwicklung zu sichern.

optiMST: Was treibt euch bei der Arbeit an?

Niels Grabbert: Da spielt vieles mit rein. Man kann den Landwirten helfen. Der Boden ist keine unendliche Ressource. Er geht verloren, wenn er falsch bewirtschaftet wird. In China zum Beispiel gibt es unter der Landbevölkerung regelmäßig Fälle von Suizid, wenn der Boden nicht die erwarteten Erträge bringt und die eigene Familie nicht mehr ernährt werden kann. Böden dürfen nicht nur outputorientiert bewirtschaftet werden. Dazu kommt der Umweltschutz. Düngemittel, die nicht aufs Feld gebracht werden, weil unser System gezeigt hat, dass noch genug Nährstoffe da sind, schonen die Umwelt – und die Kasse der Landwirte.
Außerdem macht es Spaß, neue Technik zu entwickeln. Man lernt dadurch unheimlich viel. Mich fasziniert diese Kombination aus Technologie und Gründung. Erst arbeite ich im Labor und dann kümmer ich mich um Personalführung und -auswahl. Das ist auch die gemeinsame Schnittmenge von Dominic und mir: Wir wollten unbedingt gründen. Etwas Eigenes machen.

optiMST: Wo siehst du die Stenon GmbH in fünf Jahren?

Niels Grabbert: Immer noch in Potsdam – aber bis dahin sind wir größer geworden. Unser Team muss wachsen, sonst ist der Plan nicht umsetzbar. Wir wollen die Software für die nächsten Modelle des FarmLab weiterentwickeln. Unser nächster großer Schritt ist die Integration des schlauen Spatens in verschiedene Landwirtschaftsgeräte. Geräte wie der Pflug, mit dem der Landwirt übers Feld fährt, sollen unsere Sensortechnologie aufnehmen können. Und wir haben internationale Absatzmärkte im Blick. Das FarmLab soll ein globales Produkt sein. Denn Landwirtschaft ist nichts, das nur Deutschland betrifft. Das ist auch für andere Länder spannend. 

Das Interview führte Dr. Ute Sommer (Havelcom Concept).

Zu den Personen

Niels Grabbert wurde im Amt Neuhaus geboren, das heute zum Bundesland Niedersachsen gehört. Bis zu seinem 18. Lebensjahr hat er in der ländlichen Region gewohnt. Niels Grabbert ist jetzt 30 Jahre alt. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin hat er Mikrosystemtechnik studiert. Seinen Master in Elektrotechnik mit dem Fokus Sensorik hat er an der Technischen Universität TU Berlin gemacht. Grabbert arbeitete unter anderem in der Forschung für die Fraunhofer-Gesellschaft und war in einem Start-up im Bereich der Sensorentwicklung tätig. Im April 2018 gründete er gemeinsam mit Dominic Roth die Stenon GmbH, deren Technischer Geschäftsführer er heute ist.

Dominic Roth stammt aus Püttlingen im Saarland. Zum Studium kam er nach Berlin: An der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW studierte er Wirtschaftsingenieurwesen und machte hier auch seinen Master. Sein Wunsch war es, in „digitale Themen einzusteigen“. Das könne man in Berlin besser als anderswo, sagt der heute 26-Jährige. Dominic Roth war unter anderem im Projektmanagement bei einer führenden Digitalisierungsberatung in Europa tätig, die von Ernst & Young übernommen wurde. Der Saarländer hat auch für verschiedene Start-ups gearbeitet. Der Mitgründer der Stenon GmbH ist der Kaufmännische Geschäftsführer des jungen Unternehmens mit Sitz in Potsdam. 

Kontakt

Niels Grabbert / Dominic Roth
Stenon GmbH
Schopenhauerstraße 27
14467 Potsdam
Tel.: +49 151 2393 6887
E-Mail: dominic.roth@noSpamstenon.io / niels.grabbert@noSpamstenon.io