Interview mit Dr. Roland Hass und Dr. Oliver Reich - Geschäftsführende Gesellschafter der PDW Analytics GmbH - Revolutionäre Technologie

Dr. Roland Hass und Dr. Oliver Reich sind geschäftsführende Gesellschafter der PDW Analytics GmbH in Potsdam-Golm. Sie nutzen die Photonendichtewellen (PDW) Spektroskopie, um hochkonzentrierte Materialien direkt in chemischen oder biotechnologischen Reaktoren präzise zu charakterisieren. Gemessen werden sowohl die Konzentration einzelner Stoffe als auch deren Partikelgröße. „Vermutlich sind wir weltweit die Einzigen, die PDW für die Prozessanalytik verwenden“, verraten die Firmenchefs im Interview.

Kurzporträt PDW Analytics GmbH

Die PDW Analytics GmbH in Potsdam-Golm ist eine Ausgründung aus dem Zentrum für Innovationskompetenz „innoFSPEC“, einer gemeinsamen Initiative vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie der Universität Potsdam (UPPC). Die hier weiterentwickelte Photonendichtewellen-Spektroskopie wird von dem jungen Unternehmen in den Markt eingeführt. Die PDW-Technologie kam bisher vor allem in der Medizin zum Einsatz. Mit der faser-optischen Methode können stark lichtstreuende Materialien wie konzentrierte Zellsuspensionen analysiert werden. PDW Analytics eröffnet neue Anwendungsbereiche: Stoffgemische aus den Bereichen Lebensmittel- und Pharmaindustrie oder auch aus der Chemie können während des Herstellungsprozesses charakterisiert werden. Eine Identifizierung von Teilchengrößen vom Mikro- bis zum Nanometerbereich ist möglich. Bei der Analyse kommen faseroptische Sonden zum Einsatz, die sehr robust ausgelegt sind. PDW Analytics ist mit seinem Verfahren in der Lage, optische Absorptions- und Streueigenschaften zu trennen und zu quantifizieren. Das junge mittelständische Unternehmen bietet Messungen für Industriekunden und auch wissenschaftliche Dienstleistungen an.


Interview

optiMST:Das Kürzel PDW im Firmennamen steht für Photonendichtewellen-Spektroskopie. Was ist das Besondere an dieser Technologie?

Dr. Hass: Das ist ein ganz, ganz spannendes Verfahren, um eine Vielzahl von alltäglichen Fragestellungen beantworten zu können. Bei der Herstellung von Käse beispielsweise gibt es bisher nur sehr wenige oder gar keine analytischen Techniken, um den Produktionsprozess direkt verfolgen zu können. Denn Milch streut Licht. Das macht das Messen mit optischen Methoden sehr schwierig. Hier kommt die Photonendichtewellen-Technologie ins Spiel. Mit dieser laserbasierten, faser-optischen Technologie können wir sowohl die Absorption als auch die Streuung von Licht separat messen. Es ist also möglich, die Lichtausbreitung in stark streuenden Materialien zu analysieren. Die Daten geben Aufschluss darüber, welche Stoffe in einer Emulsion oder Suspension enthalten sind und wie groß die einzelnen Stoffpartikel sind. Die Deckkraft von Wandfarbe zum Beispiel ist unter anderem von der Teilchengröße abhängig. Die Technologie hat einen großen praxisrelevanten Gehalt. Ein weiterer Vorteil von PDW: Die Prozesssonden, die wir für die Analyse einsetzen, sind kaum störanfällig.

Dr. Reich: Bei der konventionellen Spektroskopie entnehme ich eine Probe, die ich in der Regel aufbereiten muss, damit das Spektrometer mit ihr klarkommt. Ich muss sie zum Beispiel verdünnen oder abkühlen. Damit aber verändere ich die Matrix der Probe. Das kann Einfluss auf die Messergebnisse haben. Wir betreiben mit PDW Prozessanalytik. Das heißt, wir liefern Echtzeitdaten und bei uns muss die Messtechnik mit der Probe klarkommen – nicht umgekehrt. Wir sehen großes Potenzial, damit chemische, biologische und physikalische Prozesse zu charakterisieren und zu analysieren. Es gibt Einsatzmöglichkeiten in der Chemie, aber auch in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie.

optiMST:Im Jahr 2013 haben Sie die PDW Analytics GmbH aus dem Zentrum für Innovationskompetenz „innoFSPEC“ ausgegründet. Warum sind Sie das unternehmerische Risiko eingegangen?

Dr. Reich: Wir haben irgendwann gemerkt, dass es für diese Technologie einen großen Bedarf gibt, aber keine Firma, die so etwas anbietet. Wir haben die PDW-Technologie bei „innoFSPEC“ weiterentwickelt – das steht für „innovative faseroptische Spektroskopie und Sensorik“. Dieses Forschungszentrum wird getragen vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam und von der Universität Potsdam. Die Möglichkeiten einer Universität zur Einführung einer neuen Technologie in die industrielle Praxis sind aber irgendwann erschöpft. Vieles geht über den Laborhorizont hinaus. Wir wollten, dass eine solche Technologie am Ende auch auf den Markt kommt. Revolutionäre Techniken kommen übrigens oft auch gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Dr. Hass: Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir die Firma gründen sollen. Aber noch länger hatten wir uns schon gesagt: Warum eigentlich nicht? Durch die Ausgründung wird eine Menge Energie freigesetzt, um das Projekt voranzubringen. Ich würde mich heute sehr ärgern, wenn wir diesen Schritt nicht gegangen wären. Vermutlich sind wir weltweit die Einzigen, die PDW für die Prozessanalytik verwenden. Der Erfolg gibt uns einfach Recht.

Dr. Reich: … und auch der Spaß.

optiMST:Sie sind nach wie vor für die Universität Potsdam bei „innoFSPEC“ tätig, pendeln also ständig zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wie empfinden Sie diese Grenzgänge?

Dr. Reich: Ich profitiere an der Universität davon, eine Firma zu haben. Das gibt wichtige Impulse für die Ausbildung der Studenten und ich habe als Unternehmer auch Zugang zu Wirtschaftskonsortien. Und es gibt eine Parallele: Mit PDW Analytics haben wir eine Spitzenstellung in der Prozessanalyse. Ebenso wie die Universität in diesem Forschungsbereich. Einige grundlegende Fragestellungen müssen eben an einer Uni beantwortet werden.

Dr. Hass: Seit der Gründung des Unternehmens habe ich mehr Anfragen für die Bewerbung um Drittmittelprojekte. Mit der „Dual Career“ haben wir den Vorteil, dass wir finanziell nicht vom Erfolg der Firma abhängig sind. Der Nachteil allerdings ist, dass die Förderprogramme im Land Brandenburg nicht auf diese besondere Situation ausgerichtet sind. Jedenfalls haben wir noch keines gefunden, das zu uns passt. Trotzdem schreiben wir schwarze Zahlen.

optiMST: Sind Ihre Entwicklungen schon marktreif?

Dr. Hass: Sie sind reif für den Markt, ja. Aber noch nicht fertig. Die Arbeit ist immer noch sehr forschungslastig. Zu uns kommen meist größere Konzerne und geben Messungen im Produktionsprozess in Auftrag. Das hilft uns dabei, die Technologie und die Technik weiterzuentwickeln.

Dr. Reich: Es ist ein langfristiger Prozess, diese Technologie zu vermarkten. Es braucht Zeit, um Machbarkeitsstudien umzusetzen und die Industrie an diese Neuheit heranzuführen. Denn der Aufwand zur Installation einer neuen Technologie in einen Produktionsprozess ist doch relativ hoch. Wir schauen uns zuerst auf dem europäischen Markt um.

optiMST: Welche Rolle spielt bei der Entwicklung des Unternehmens der Standort Potsdam-Golm?

Dr. Reich: Wir haben hier vielleicht nicht unbedingt die Großindustrie in der Nähe, aber viele Forschungsinstitute, die zu uns passen. Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft entwickeln in Potsdam-Golm Polymere und Nanomaterialien. Als Firma profitieren wir sehr stark von dem Standort mit seiner großen Forschungsvielfalt. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Standort auch mit der Universität einen Namen in puncto PDW-Technologie gemacht.

Dr. Hass: Die PDW-Spektroskopie wird vermutlich an keiner anderen Universität gelehrt. Diese Synergien sind hilfreich. Der Weg zu unseren Industriepartnern ist zwar etwas länger. Aber das ist ein logistisches Problem, das sich leicht lösen lässt.

optiMST: Wo sehen Sie PDW Analytics in etwa fünf Jahren?

Dr. Hass: Das ist schwer zu skalieren. Wir haben uns bisher besser entwickelt als erwartet. Ich rechne damit, dass wir uns in fünf Jahren als Firma etabliert haben und einen sicheren Grundstock an Umsätzen haben.

Dr. Reich: Und wir werden eine Hand voll Mitarbeiter haben. In fünf Jahren werden wir eine ganze Reihe von Geräten in unterschiedliche Branchen verkauft haben. Dabei ist eine spannende Frage, ob es jemals so etwas wie eine Serienproduktion gibt. Unter Umständen hat der einzelne Kunde mehr von einem Gerät, das perfekt auf seine ganz speziellen Anforderungen abgestimmt ist. Wir werden es sehen.

Das Interview führte Dr. Ute Sommer


Die Personen:

Dr. Roland Hass hat an der Universität Potsdam Chemie studiert und am Lehrstuhl für Physikalische Chemie promoviert. Thema seiner Doktorarbeit war die Photonendichtewellen-Spektroskopie. Danach ging er für drei Jahre in die Industrie – zu einem Produzenten von Messtechnik und Analysegeräten. Der 36-Jährige ist heute geschäftsführender Gesellschafter der Potsdamer PDW Analytics GmbH und Leiter der Nachwuchsgruppe „Angewandte Analytische Photonik“ am Zentrum für Innovationskompetenz „innoFSPEC“. Dr. Roland Hass stammt aus Brandenburg an der Havel.

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Dr. Roland Hass/ privat

Dr. Oliver Reich ist gebürtiger Münchner. Er hat in Erlangen-Nürnberg Chemie studiert und später an der Universität Potsdam promoviert. Er leitet gemeinsam mit Dr. Roland Hass die PDW Analytics GmbH. Dr. Oliver Reich ist 42 Jahre alt. 2014 wurde er mit dem Bunsen-Kirchhoff-Preis für analytische Spektroskopie ausgezeichnet. Am Potsdamer Zentrum für Innovationskompetenz „innoFSPEC“ leitet er die Forschergruppe „Innovative Fasersensorik“.

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Dr. Oliver Reich/ privat

Kontakt

Dr. Roland Hass
Dr. Oliver Reich

PDW Analytics GmbH
Geiselbergstraße 4
14476 Potsdam-Golm

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E-Mail: &nbsp  info@pdw-analytics.de
Internet: &nbsp  www.pdw-analytics.de