Interview mit Dr. Michael Kolbe, neuer Handlungsfeldsprecher für die Optische Analytik im Cluster Optik und Photonik

„Die Bedeutung und die Möglichkeiten der optischen Analytik werden weiter wachsen. Man kann nur das fertigen, was man auf dem geforderten Präzisionslevel auch messen und charakterisieren kann.” - Dr. Michael Kolbe im optiMST-Interview über mögliche Entwicklungen der optischen Analytik im Cluster und seine persönliche Arbeit für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt.

Interview

optiMST: Herr Kolbe, Sie sind im Hauptberuf Physiker für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in der Abteilung 7 Temperatur und Synchrotronstrahlung. Was sind die Ziele und Aufgaben der Abteilung, in der Sie arbeiten?

Wir nutzen Synchrotronstrahlung für radiometrische und metrologische Anwendungen. Dabei kalibrieren wir Quellen und Detektoren für Anwendungen radiometrisch über einen weiten Spektralbereich von Infrarot/THz bis Röntgenstrahlung. Wir bestimmen Reflektionsgrade und charakterisieren optische Elemente.

Beispiele für die Anwendung sind die Kalibrierung von Raumfahrtinstrumenten, die Charakterisierung von Nanomaterialien oder die Bestimmung atomarer Fundamentalparameter. Meine persönlichen Arbeitsschwerpunkte sind spektrometrische Anwendungen vom Röntgen- bis in den UV-Bereich.

optiMST: Können Sie uns ein aktuelles Projektbeispiel Ihrer Arbeit beschreiben?

Wir haben eine neue Instrumentierung für die Oberflächenanalytik von Siliziumkugeln für das Avogadro-Projekt entwickelt. Um von der Maßverkörperung des in Paris aufbewahrten Urkilogramms unabhängig zu werden, wird die SI-Einheit Kilogramm neu definiert. In der PTB wurde dafür im Rahmen des Avogadro-Projektes die Anzahl der Siliziumatome in einer monokristallinen Siliziumkugel bestimmt.

Dies erfordert unter anderem die Messung der Oberflächeneigenschaften auf höchstem metrologischen Niveau. Die PTB hat dafür eine Ultrahochvakuumanlage mit einer kombinierten Röntgenfluoreszenz- und Photoelektronenspektroskopie aufgebaut. Dieses Projekt zur Oberflächenanalytik habe ich federführend geleitet. Das Know-how transferieren wir auch in andere Länder.

Allgemein bin ich vor allem in der Oberflächen- und Grenzflächenanalytik tätig. Wir arbeiten zusammen mit Partnern aus Industrie und akademischer Forschung an europäischen aber auch regionalen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Einer meiner Schwerpunkte ist dabei die Entwicklung quantitativer Messmöglichkeiten für eine zuverlässige Materialanalytik. Vor einigen Jahren war ich eineinhalb Jahre ins Bundeswirtschaftsministerium abgeordnet. In dieser Zeit konnte ich auch auf der politischen Ebene Erfahrungen sammeln.

optiMST: Wie schätzen Sie die Trends und Entwicklungen in der optischen Analytik in den nächsten 5-10 Jahren ein?

Die Bedeutung und die Möglichkeiten der optischen Analytik werden weiter wachsen. Man kann nur das fertigen, was man auf dem geforderten Präzisionslevel auch messen und charakterisieren kann. Es gibt außerdem einen Trend zur Methodenkopplung, wie wir sie auch bei der PTB praktizieren. Dabei werden komplementäre Messverfahren zusammen eingesetzt, um beste Ergebnisse zu erzielen. Ein Beispiel ist die Kopplung von bildgebenden und spektroskopischen Verfahren.

Die optische Analytik ist sehr gut für die zerstörungsfreie und sehr schnelle Untersuchung geeignet. Deshalb ist sie prädestiniert für die optische Prozesskontrolle. Bei der Datenauswertung ist die Bewältigung der enormen Daten eine große Herausforderung. Hier gibt es neben verbesserten Algorithmen einen Trend zum Einsatz von künstlicher Intelligenz. Dort ist eine herausfordernde Aufgabe, wie man die Richtigkeit der Computerergebnisse sicherstellen kann. Besonders wichtige Fragen sind beispielsweise: Welche Daten stehen für das Training der Algorithmen zur Verfügung und sind diese repräsentativ für den gewünschten Einsatz? Welche Toleranzen können damit garantiert werden?

optiMST: Was sollte nach Ihrer Meinung im Cluster Optik und Photonik weiterentwickelt und befördert werden?

Viele Themen und Aspekte der Trends sind auch im Masterplan Optik enthalten. Der Vernetzungsaspekt in der Region ist sehr wichtig. Es ist sehr gut, dass es mit BerlinPartner und der Wirtschaftsförderung Brandenburg Ansprechpartner in der Region gibt. Der Austausch zwischen Wirtschaft, Forschungseinrichtungen und Politik ist von großer Bedeutung und sollte unbedingt weiter gefördert werden.

Gut wäre, wenn das gesamte Förderverfahren einfacher und flexibler gestaltet werden kann. Zum einen sind manche Forschungsvorhaben für die Förderverfahren zu kompliziert, auf der anderen Seite sollten die Förderverfahren selbst einfacher und unkomplizierter ablaufen.

optiMST: Welche Themen und Schwerpunkte wollen Sie als neuer Handlungsfeldsprecher setzen?

Unsere Vorgänger haben eine sehr gute Arbeit geleistet, die wir fortführen wollen.
Die Steuerungsgruppe für die Weiterentwicklung der wichtigen Themen ist sehr wichtig und sollte weiter forciert werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen/Universitäten ist von großer Bedeutung sowie die wichtigen Themen Nachwuchsgewinnung und Weiterbildung.

optiMST: Wie attraktiv ist der Standort Berlin-Brandenburg aus Ihrer Sicht und was kann unternommen werden, dieses weiter zu verbessern?

Die Region Berlin-Brandenburg ist für viele Menschen eine interessante und lebenswerte Region. Das hilft sicherlich, Mitarbeiter und Unternehmen anzulocken. Junge Startup-Unternehmen, die mit optischer Analytik arbeiten, sollten vernetzt werden und ebenso ist das gesamte Thema IT für die optische Analytik sehr wichtig.

Die Handlungsfeldkonferenzen und weitere Veranstaltungen sind von großer Bedeutung. Der Cluster und seine Akteure sollten auch weiter versuchen, bisher weniger aktive Unternehmen einzubeziehen.

optiMST: Wie können interessierte Unternehmen und andere potenzielle Partner mit Ihnen zusammen arbeiten?

Die PTB ist technische Oberbehörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Metrologie für die Wirtschaft ist eines unserer miteinander verzahnten Aufgaben. Am häufigsten arbeiten wir mit unseren Partnern, insbesondere auch KMU, im Rahmen von Förderprojekten zusammen. Die Förderprogramme reichen dabei von der europäischen Ebene bis zu regionaler Förderung in den Ländern Berlin und Brandenburg. Weiterhin bieten wir Auftragsforschung an, die von den auftraggebenden Unternehmen finanziert werden muss. Diese haben hierbei den Vorteil, die volle Kontrolle über Ziele und Ergebnisse der Arbeiten zu besitzen. Gemeinsame Projekte mit verschiedenen Partnern sind für uns sehr wichtig. So werben wir Mittel zum Beispiel für Doktoranden und Ingenieure ein und können den künftigen Bedarf für industrielle Messtechnik besser einschätzen, um die F&E-Arbeiten mit dem notwendigen Vorlauf zu beginnen.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Die PTB ist das nationale Metrologieinstitut mit wissenschaftlich-technischen Dienstleistungsaufgaben. Sie ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die PTB misst mit höchster Genauigkeit und Zuverlässigkeit - Metrologie als Kernkompetenz. Die PTB steht für Fortschritt und Zuverlässigkeit in der Messtechnik für Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft.

Die PTB besteht aus neun wissenschaftlich-technischen Abteilungen. Zwei davon, Abteilung 7 (Temperatur und Synchrotronstrahlung) sowie Abteilung 8 (Medizinphysik und metrologische Informationstechnik) sind in Berlin zu Hause. Die Abteilungen sind in ca. 60 Fachbereiche und rund 200 Arbeitsgruppen unterteilt.
Die PTB gehört mit dem NIST in den USA und dem NPL in Großbritannien zu den führenden Instituten der Metrologie. (Metrologie: Wissenschaft vom exakten Messen.) Als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands ist die PTB oberste Instanz bei allen Fragen des richtigen Messens.

Im Einheiten- und Zeitgesetz (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, Teil I, Nr. 28, S. 1185 ff., 11.Juli 2008) sind ihr alle Aufgaben zur Darstellung und zur Weitergabe der Einheiten übertragen worden. Alle gesetzlich relevanten Aspekte zu den Einheiten sowie die Zuständigkeiten der PTB sind in diesem Gesetz gebündelt. Ihre Aufgaben sind die Bestimmung von Fundamental- und Naturkonstanten, Darstellung, Bewahrung und Weitergabe der gesetzlichen Einheiten des SI, Sicherheitstechnik, ergänzt um Dienstleistungen wie den Deutschen Kalibrierdienst (DKD) und Messtechnik für den gesetzlich geregelten Bereich, die Industrie sowie Technologie-Transfer. Als Basis für ihre Aufgaben betreibt die PTB in enger Kooperation mit Universitäten, anderen Forschungseinrichtungen sowie der Industrie Grundlagenforschung und Entwicklung im Bereich der Metrologie.

Das Interview führte Markus Wabersky

VITA

Michael Kolbe hat an der Martin-Luther-Universität in Halle Physik studiert und nach dem Diplom auch dort promoviert. Schon in dieser Zeit hat er an verschiedenen Großforschungseinrichtungen im In- und Ausland geforscht. Seit 2003 ist er bei der PTB zunächst als projektfinanzierter PostDoc und seit 2009 im wissenschaftlichen Stammpersonal tätig.

© Fotocopyright: Michael Kolbe

KONTAKT

Dr. Michael Kolbe
Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Radiometrie mit Synchrotronstrahlung
Abbestr. 2-12
10587 Berlin
Tel. 030 - 3481 7131
E-Mail: michael(dot)kolbe(at)ptb(dot)de