Interview mit Dr. Oliver Hilt, Head of Wide-Bandgap Electronics Department Ferdinand-Braun-Institut gGmbH Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik

Als Forschungseinrichtung auf den Gebieten der Hochfrequenzelektronik, Photonik und Quantenphysik gehört das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) zu den ersten Adressen in Berlin, wenn es um elektronische und optische Komponenten sowie Module und Systeme auf der Basis von Verbindungshalbleitern geht.

Das FBH ist seit geraumer Zeit ein Kompetenzzentrum für GaN-Leistungstransistoren. Die technologischen Grundlagen für vertikale GaN-Transistoren wurden beim FBH vor etwa 10 Jahren im Rahmen des EFRE-geförderten PHOENIX[1]-Projekts „PioneerGaN“ entwickelt, aktuell ist das Institut am BMWE-geförderten Verbundprojekt „HoverGaN“ beteiligt.

In diesem Rahmen arbeitet das FBH an der Entwicklung vertikaler Galliumnitrid-Transistoren (GaN) für hohe Betriebsspannungen. Ziel ist es, die GaN-Technologie zu verbessern und für industrielle Anwendungen nutzbar zu machen. Wir haben mit Dr. Oliver Hilt, Leiter des Wide-Bandgap Electronics Department am FBH, über das Projekt, die Vorteile vertikaler Transistor-Architekturen, Anwendungsfelder sowie die zukünftige Ausrichtung der GaN-Forschung am Institut gesprochen. 
 

 

 

1. Können Sie kurz skizzieren, worum es beim Projekt „HoverGaN“ geht und wie der aktuelle Entwicklungsstand aussieht?  

Dr. Hilt: HoverGaN ist ein Verbundvorhaben von mehreren Forschungsinstitutionen und industriellen Akteuren zur Entwicklung von leistungselektronischen vertikalen GaN-Transistoren für Betriebsspannungen bis 1,7 kV. Am FBH konzentrieren wir uns dabei auf vertikale FinFETs auf Galliumnitrid-Substraten, in anderen Projektzusammenhängen arbeiten wir an vertikalen Trench-MOSFETs. Ein Aspekt dabei ist, die nationale materialtechnologische Basis von Galliumnitrid für leistungselektronische Anwendungen zu stärken. Das grundsätzliche Ziel ist, die Technologie so weit zu bringen, dass sie in der Industrie eingesetzt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir über HoverGaN hinaus in die Weiterentwicklung gehen müssen. Bei der Performance unserer Bauelemente haben wir bei den Dioden die gewünschte Sperrspannung erreicht. Bei den Transistoren arbeiten wir noch daran, wissen aber bereits, welche Schritte nötig sind, um dies zu verbessern. 


2. Welche Vorteile ergeben sich aus vertikalen Transistor-Architekturen, die in HoverGaN entwickelt werden, gegenüber herkömmlichen Technologien – wie zum Beispiel laterale GaN-Bauelemente oder Siliziumkarbid-Technologie?  

Dr. Hilt: Im Projekt HoverGaN entwickeln wir vertikale Transistor-Architekturen weiter. Für hohe Spannungen über 1000 V bieten sie mehrere entscheidende Vorteile gegenüber lateralen Transistoren. Anders als bei lateralen Transistorarchitekturen steigt bei vertikalen Transistoren die benötigte Chipfläche nicht mit der Spannungsfestigkeit. Die höheren Sperrspannungen werden im Wesentlichen durch dickere Halbleiterschichten erreicht. Besonders wichtig ist zudem die höhere Stromtragfähigkeit, da das Halbleitervolumen besser ausgenutzt wird. Für vertikale Transistoren benötige ich also eine kleinere Chipfläche – ein entscheidender Vorteil, denn je größer der Chip, desto höher die Kosten.
Darüber hinaus sind vertikale Transistor-Architekturen robuster im Schaltbetrieb, da sie resilienter gegen kurze Spannungsspitzen sind. Dies ist insbesondere bei der Motoransteuerung, wie etwa in einem Elektroauto, vorteilhaft. All das ergibt sich, neben der Bauweise, auch aus den Materialeigenschaften von Galliumnitrid. 


3. In welchen Anwendungsbereichen der Praxis werden die von Ihnen geschilderten Vorteile (zum Beispiel Energieeffizienz) besonders deutlich?  

Dr. Hilt: Kurz gesagt helfen GaN-Transistoren dabei, Energie überall dort effizienter zu nutzen, wo hohe Spannungen benötigt werden. Mit ihnen lässt sich mehr Leistung generieren als mit herkömmlichen Silizium-Bauelementen. Ein großer Vorteil neben den geringeren Umwandlungsverlusten ist vor allem die höhere Leistungsdichte der Konverter. Das heißt, dass durch GaN die Konverter für die gleiche Leistung kleiner und leichter werden.  

Das Anwendungsspektrum ist vielfältig und reicht vom Antriebsinverter bei elektrischen Autos bis hin zu gepulsten Hochleistungslasern für LiDAR-Systeme. Gerade im Bereich der Elektromobilität, bei erneuerbaren Energien wie Photovoltaik sowie bei industriellen Antrieben zeigen sich die praktischen Vorteile besonders deutlich. 


4. Die im Vorgängerprojekt „PioneerGaN“ entwickelten Grundlagen wurden systematisch weiterentwickelt und gefördert und führten unter anderem zu wichtigen Kontakten mit der europäischen Industrie sowie zu anderen Projektkonsortien auf nationaler und EU-Ebene. Würden Sie rückblickend sagen, dass die im initialen Projekt erworbene Expertise den Anstoß für den Aufbau des Kompetenzzentrums gegeben hat?  

Dr. Hilt: Ja, das war der Startschuss. Uns war klar, dass es ein sehr langer Weg wird, wenn wir an der vertikalen GaN-Technologie forschen, sie weiterentwickeln und unseren Partnern am Ende auch funktionierende Transistoren zur Verfügung stellen wollen. Wir können jedoch auf unseren Erfahrungen bei lateralen GaN-Transistoren aufbauen und untersuchen verschiedene vertikale Transistorarchitekturen. Das macht uns mittlerweile zu einem Kompetenzzentrum für die vertikale GaN-Technologie. Nicht zuletzt haben wir in unsere technologische Infrastruktur investiert, beispielsweise durch die Anschaffung einer Anlage für die Atomlagenabscheidung von Gate-Isolatoren. 


5. Können sie einen Ausblick auf die künftige Forschung an GaN-Leistungstransitoren am FBH geben?  

Dr. Hilt: Auf das gesamte FBH gesehen ist die Leistungselektronik ein vergleichsweise kleines, aber leuchtkräftiges Arbeitsgebiet. Als klassischer Systemanbieter kommen wir daher nicht in Frage. Ziel ist es vielmehr, unsere Themen in die industrielle Entwicklung zu überführen. Wir sehen uns künftig in der Rolle, neue explorative Halbleiter-Ansätze aufzugreifen, sie weiter zu erforschen und daraus funktionsfähige, hoch performante Transistorbauelemente für industrielle Partner und Kunden zu demonstrieren. Eine weitere Kernaufgabe wird darin liegen, neue Materialien der nächsten und übernächsten Generation auf ihre Zukunftstauglichkeit hin zu überprüfen. 


6. Welchen Einfluss hat Berlin als Standortfaktor auf Ihre Arbeit?  

Dr. Hilt: Für uns ist der Standort in Berlin-Adlershof sehr wichtig. Hier finden wir viele Dienstleister und Partner, die unsere Arbeit und Anlagentechnologie unterstützen und sinnvoll ergänzen – dabei profitieren wir gegenseitig voneinander. Und das alles in unmittelbarer Nähe. In meinem Forschungsfeld arbeitet das FBH eng mit dem Lehrstuhl für Leistungselektronik der TU Berlin zusammen und wir betreiben ein gemeinsames Joint Lab. Das eröffnet uns im Bereich der Leistungselektronik in Berlin viele Möglichkeiten. 

Weiterführender Link: Wide-Bandgap Electronics Department am Ferdinand-Braun-Institut

[1] Das Photonics and Optoelectronics Network PHOENIX ist ein Internationalisierungsnetzwerk des Clusters Optik und Photonik, koordiniert durch ein gemeinsames Projektteam von Berlin Partner und OpTecBB. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, die Initiierung von wirtschaftsbezogenen und grenzüberschreitenden Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Berliner Akteuren einerseits und Akteuren in den Partnerregionen Polen, Japan, Israel und den USA in den Bereichen der Optik, Photonik Mikroelektronik und Quantentechnologien zu fördern. 

© Ferdinand-Braun-Institut, Dr. Oliver Hilt