Interview mit Prof. Dr. phil. Stefan Kowarik, neuer Handlungsfeldsprecher für die Optische Analytik im Cluster Optik und Photonik

 

„Die Verwertung von Forschungsergebnissen und Entwicklungen ist sehr wichtig. Dabei sollten nicht nur Start-ups eine Rolle spielen, sondern auch die Kooperation mit bestehenden Unternehmen, die bereits am Markt etabliert sind und langjährige Erfahrungen mitbringen können.” - Professor Kowarik im optiMST-Interview über seine Ziele als Handlungsfeldsprecher der optischen Analytik im Cluster Optik und seine persönliche Arbeit an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.

optiMST:  Herr Professor Kowarik, Sie sind im Hauptberuf Physiker im Fachbereich 8.6 Faseroptische Sensorik in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Was sind die Ziele und Aufgaben des Bereiches, in dem Sie arbeiten?

Wir besitzen langjährige Kompetenzen in der Applikation und der Integration faseroptischer Sensoren in Werkstoffe und Strukturen im Hinblick auf die Schadensfrüherkennung und -lokalisierung. Darüber hinaus wirken wir in der Validierung, der Normung und der technischen Regelsetzung für faseroptische Sensoren mit.

Arbeitsschwerpunkte sind ortsauflösende faseroptische Sensoren zur Überwachung geotechnischer Anlagen, räumlich ausgedehnter Bauwerke und energietechnischer Anlagen. Das sind zum Beispiel Deiche, Dämme, Rutschhänge, Brücken, Tunnel oder Pipelines auf km-Längen mit Ortsauflösungen im m-Bereich.

Weitere Schwerpunkte sind oberflächenapplizierte und strukturintegrierte faseroptische Sensoren für die Strukturüberwachung sowie faseroptische Sensoren auf Basis optischer Polymerfasern.

optiMST: Können Sie uns ein aktuelles Projektbeispiel Ihrer Arbeit beschreiben?

Ich persönlich habe bis vor zwei Jahren an der Humboldt-Universität vor allem an in situ optischen und Röntgen-Prozessanalytik für Beschichtungsverfahren gearbeitet.

An der BAM im Fachbereich 8.6, der von Frau Katerina Krebber geleitet wird, arbeiten meine Kollegen und ich daran, Glasfasern wie sie für Internet-Datenkommunikation verwendet werden, als Sensorsysteme einzusetzen. So können wir Dehnungen der oft 50 km langen Faser erfassen, was zum Beispiel zur Detektion von Rissen in Bauwerken, der Überwachung von Brücken oder Deichen eingesetzt werden kann. Auch können wir eine Faser wie eine km-lange-Reihe von vielen Mikrofonen benutzen.

Dazu können wir auch dark fiber, d.h. nicht genutzte Glasfasern verwenden, die häufig bei Erdarbeiten in den Boden verlegt werden, aber noch nicht anderweitig genutzt werden. In einem Pilotprojekt detektieren wir Straßengeräusche mit einer solchen dark fiber zwischen zwei BAM-Standorten.

Wir können die Faser mehr als 1.000 x pro Sekunde über mehrere km alle 20 cm auslesen. Das führt zu enormen Datenmengen, die wir bewältigen müssen. Diese Art zu detektieren hat beim Militär und bei Ölunternehmen begonnen und war sehr teuer. Die Technologie wird aber zunehmend billiger, dazu setzen wir auf Telekomtechnik, die erprobt und bewährt ist. Es gibt bereits erste Unternehmen, die diese Technologie anbieten. Weitere Forschung ist aber noch nötig, um die Systeme zu verbessern und preiswerter anbieten zu können.

optiMST: Wie schätzen Sie die Trends und Entwicklungen in der optischen Analytik in den nächsten 5-10 Jahren ein?

In meinem Arbeitsbereich wird die Überwachung von sehr langen Objekten, wie zum Beispiel von Pipelines, immer wichtiger. Die Faser wird dazu zur Datenübertragung und als Sensorelement genutzt. Bei der Technologie gibt es rapide Fortschritte bei Reichweite, Sensitivität und Genauigkeit.

Allgemein sind das Internet der Dinge, Industrie 4.0 und Smart Cities sowie der medizinische Bereich ein wichtiger Treiber für Entwicklungen in der optischen Analytik.
Dabei spielen die optische und Röntgen Sensorik und Spektroskopie einen ganz wichtigen Beitrag als „Augen, Ohren und Nasen” für die Anwendungen.

optiMST: Was sollte nach Ihrer Meinung im Cluster Optik und Photonik weiterentwickelt und befördert werden?

Die Verwertung von Forschungsergebnissen und Entwicklungen ist sehr wichtig. Dabei sollten nicht nur Start-ups eine Rolle spielen, sondern auch die Kooperation mit bestehenden Unternehmen, die bereits am Markt etabliert sind und langjährige Erfahrungen mitbringen können. Das kann auch dabei helfen, die Unternehmen am Standort zu halten oder neue anzulocken.

optiMST: Welche Themen und Schwerpunkte wollen Sie als neuer Handlungsfeldsprecher setzen?

Die Themen des Handlungsfeldes wie in situ Prozesskontrolle, mehrdimensionale Spektroskopie, hyperspektrale Bildgebung und optische Sensorik bleiben weiterhin wichtig und werden sich dynamisch entwickeln.

Neue Schwerpunkte, die immer wichtiger werden, sind maschinelles Lernen im Allgemeinen und Neuronale Netze im Speziellen. Das sind wichtige Querschnittsthemen, die in der optischen Analytik oft noch nicht perfekt funktionieren, sich aber sehr gut weiterentwickeln.

Bei vielen optischen Methoden geht der Trend zu höherer spektraler, räumlicher und zeitlicher Auflösung. Das führt zu immer größeren Datenmengen und auch die Datenverarbeitung bei Echtzeitanwendungen wird immer anspruchsvoller.

Die Frage, wie man diese großen Datenmengen schnell, präzise und günstig verarbeiten kann, kommt eine immer größere Bedeutung zu.

optiMST: Wie attraktiv ist der Standort Berlin-Brandenburg aus Ihrer Sicht und was kann unternommen werden, dieses weiter zu verbessern?

Die vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen in der Region sind ein sehr wichtiger Pluspunkt. Für Start-ups und Nachwuchswissenschaftler ist das ebenso wichtig wie für Großunternehmen, wie zum Beispiel Siemens, die in Berlin ja einen neuen Forschungscampus eröffnen wollen. Es ist sicherlich wichtig, die Bekanntheit des Cluster Optik und von OptecBB weiter zu steigern, um die Chancen für kleine und große Unternehmen aufzuzeigen.

optiMST: Wie können interessierte Unternehmen und andere potenzielle Partner mit Ihnen zusammen arbeiten?

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, mit uns zusammen zu arbeiten. Sehr gerne zeigen wir in Laborführungen, was bei uns alles möglich ist. Unsere exzellente Geräteausstattung deckt lückenlos hochpräzise Verfahren ab wie z.B. verteilte akustische Messungen oder Temperatur- und Dehnungsmessung mit Raman- bzw. Brillouin-Streuung. Für Unternehmen ist die Kooperation in geförderten Forschungsprojekten und die Beauftragung von Prüfungen und Zulassungsprojekten an uns sehr typisch für eine Zusammenarbeit. Wir suchen immer geeignete KMU, die wir als Forschungspartner sehr schätzen. Bei Mitarbeitern suchen wir immer Praktikanten, Doktoranden und Post-Docs.

Interessierte Unternehmen und Mitarbeiter können mich sehr gerne kontaktieren.

Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung

Die BAM ist eine wissenschaftlich-technische Bundesober¬behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Sie prüft, forscht und berät zum Schutz von Mensch, Umwelt und Sachgütern. Die BAM setzt und vertritt für Deutschland und seine globalen Märkte hohe Standards für Sicherheit in Technik und Chemie zur Weiterentwicklung der erfolgreichen deutschen Qualitätskultur „Made in Germany”. Diese Aufgabe erfüllt die BAM durch ihre engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Der BAM-Fachbereich 8.6 „Faseroptische Sensorik” berät als Kompetenzzentrum zu allen Fragen der Entwicklung, Anwendung und Zuverlässigkeit faseroptischer Sensoren und Sensorsysteme. Im Fokus steht dabei die Entwicklung faseroptischer Sensoren für die Zustandsüberwachung von Infrastrukturen, energietechnischen Anlagen und Werkstoffen. Die besondere Kompetenz des Fachbereichs sind die ortsauflösenden faseroptischen Sensoren für die kontinuierlich verteilte, lückenlose Überwachung geotechnischer Anlagen, räumlich ausgedehnter Bauwerke und energietechnischer Anlagen.

Das Interview führte Markus Wabersky

VITA

Stefan Kowarik hat an der LMU München Physik studiert und an der Univ. Oxford (UK) in physikalischer Chemie promoviert. Nach Postdoc-Stationen u.a. an der Univ. Tübingen, Cornell Univ. (USA) und der University of California (Berkeley, USA) arbeitete er als Juniorprofessor an der HU Berlin. Seit 2017 ist er als Wissenschaftler an der BAM tätig.

KONTAKT

Prof. Dr. phil. Stefan Kowarik
Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM)
8.6 Faseroptische Sensorik
Unter den Eichen 44 – 46
12203 Berlin
Telefon: + 49 30 8104-4817
E-Mail: stefan(dot)kowarik(at)bam(dot)de