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Sensoren für die wachsende Wasserstoffwirtschaft

Berlin Brandenburger Optik-Tag beleuchtet regionale Expertise

 

Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) feiert 2021 ihren 150. Geburtstag. Bereits 1894 widmete sie sich in einer Untersuchung der Sicherheit von Wasserstoffspeichern. Mit diesem Blick in die Vergangenheit zeigte Carlo Tiebe von der BAM auf dem Berlin Brandenburger Optik-Tag 2021, dass Wasserstoff schon lange ein Thema ist. Am 29. November wurde bei der Veranstaltung der beiden länderübergreifenden Cluster Energietechnik sowie Optik und Photonik ein Bogen geschlagen von gestern zu morgen, von der Wissenschaft zur Industrie und von der Technik zu den Anwendungen. Nicht zuletzt ging es um die Frage, welche positive Rolle Wasserstoff für die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin und Brandenburg zukünftig einnehmen wird.

Trotz einer kurzfristigen Verschiebung der Veranstaltung in den virtuellen Raum, schaltete sich Brandenburgs Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie, Jörg Steinbach, für sein Grußwort live aus den Räumlichkeiten des iCampµs Cottbus zu, der später auf der Veranstaltung noch ausführlich vorgestellt wurde. Steinbach betonte, dass für ihn Wasserstoff ein Kernelement der Energiewende sowie ein zentrales Thema für die Region und seine politische Arbeit sei.

Der Berliner Staatssekretär für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Christian Rickerts beschrieb in seinem Grußwort, dass er moderne optische Technologien als Impulsgeberinnen wahrnehme und wie sehr er auf einen wachsenden Markt für Sensorik und Wasserstoff in der Region setze.

Wirtschaftsförderung: Wir vernetzen!

Anne Techen, Clustermanagerin Optik und Photonik bei der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) und eine der beiden Moderatorinnen der Veranstaltung, weiß aus ihrer Arbeit wie erfolgreich die Region in der Sensorik ist. Sie schilderte ihren Wunsch, der zugleich ein Motiv für die Veranstaltung war, dass die Potenziale in der Wasserstoffwirtschaft noch stärker gehoben würden. Dazu könne die Sensorik viel beitragen. Genau dafür würden heute Expertinnen und Experten aus beiden Bereichen zusammengebracht, erläuterte die zweite Moderatorin, Katharina Witte, Projektmanagerin Innovation des Clusters Optik und Photonik bei Berlin Partner.  

Der iCampµs in Cottbus: Technologien und Anwendungen rund um Elektronik und Mikrosensorik

Harald Schenk, Professor an der BTU Cottbus-Senftenberg und Direktor des Fraunhofer IPMS, entführte die Teilnehmenden virtuell auf den iCampµs, den Innovationscampus Elektronik und Mikrosensorik Cottbus. Seit 2019 gibt es diese Kooperation für Forschung, Entwicklung und Transfer. Der Innovationscampus ist ein Projekt von fünf wissenschaftlichen Partnern: zwei Leibniz-Institute, zwei Fraunhofer-Institute und die BTU Cottbus Senftenberg.
Ab Januar 2022 tritt der breite Verbund in eine neue Phase. Dank einer fünfjährigen Förderung will man das Projekt ausbauen und verstetigen. Schenk erläuterte, dass er den Strukturwandel in der Lausitz als enorme Herausforderung empfinde, von der er glaube, dass sie nur mit Innovationsstärke aus der Region selbst zu bewältigen sei. Der iCampµs will seinen Beitrag dazu leisten, in dem er zum regionalen „Sensorik-Hub“ wird und wissenschaftliche Erkenntnisse in die lokale Wirtschaft transferiert. In den nächsten fünf Jahren werden Technologieplattformen und Anwendungslösungen entwickelt, zum Beispiel für Smart Health, Umweltsensorik und Industrie 4.0

Forschen über Materialien und Bauteile

Die Leistungselektronik benötigt leistungsfähige Materialien. Über die entsprechende Grundlagenforschung berichtete Thomas Schröder, Direktor des Berliner Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ). Schröder stellte dar, dass kristalline Materialien die technologische Basis für die Lösung vieler aktueller Herausforderungen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Energie und Gesundheit sind. Noch wird meistens Silizium in der Leistungselektronik eingesetzt, die Zukunft wird auch innovativen Materialien wie Aluminiumnitrid und Galliumoxid gehören, aus seiner Sicht Materialien mit Potenzial – auch für die Lausitz. An all diesen Materialien forscht das IKZ. Es arbeitet dabei mit großen Unternehmen wie Siltronic oder Freiberger Compound Materials zusammen, aber auch mit lokalen Start-ups. 

Joachim Würfl, Abteilungsleiter beim Berliner Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), verantwortet die Entwicklung und Erforschung von Wide-bandgap Leistungstransistoren am FBH. Würfl sprach darüber, wie man elektrische Energie effizient konvertiert, um sie in eine Form zu bringen, die für die Verbraucher geeignet ist. Vorne sind hier Wide Bandgap (WBG) Halbleiter, die durch ihre kompakte Bauweise weitaus effizienter sind als Halbleiter auf Silizium-Basis, die aber auch neue Materialien benötigen. Derartige Materialien wie beispielsweise Galliumoxid aus dem IKZ und Aluminiumnitrid aus verschiedenen Quellen werden am FBH bereits für Leistungsanwendungen erforscht. Die bereits von Thomas Schröder erwähnten Aluminiumnitride wären längerfristig optimal, so Würfl, im Moment stünden aber noch Galliumnitride im Fokus. Um WBG Bauelemente effizient einzusetzen, müssten die Schaltungen adaptiert und auf die neuen Materialien hin optimiert werden. 

Robuste Drucksensorik für Wasserstoffanwendungen

Seit 2012 entwickelt Prignitz Mikrosystemtechnik Drucksensoren, die für Wasserstoff geeignet sind, berichtete Hartmut Stoltenberg, zuständig für die Technologieentwicklung im Unternehmen. Es brauche Zeit und gute Partner aus der Wissenschaft, im Fall des Unternehmens das Fraunhofer IKTS, das Fraunhofer IPMS und das CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik, um technologische Fragen zu lösen. Denn die Sensoren müssten die speziellen Eigenschaften von Wasserstoff berücksichtigen. Stoltenberg stellte detailliert verschiedene Drucksensoren, die das Unternehmen anbietet, mit ihren Materialien und Eigenschaften vor. 

Film: Hightech für die Wasserstoffsensorik aus der Prignitz

Intelligente Sensoren für Sicherheit in Wasserstofftechnologien

Der eingangs erwähnte Carlo Tiebe von der BAM berichtete nicht nur über Studien aus den ersten Jahrzehnten des Instituts, sondern vor allem über aktuelle Ansätze mechanischer sowie chemischer Analysen und zerstörungsfreien Prüfungen rund um die Sicherheit von Wasserstofftechnologien, mit denen sich die Bundesanstalt in ihrem Kompetenzzentrum „H2Safety@BAM für Wasserstoff“ beschäftigt. Hier geht es um alle Aspekte einer künftigen Wasserstoffwirtschaft, z.B. um die Explosionsgefahr von Wasserstoffspeichern. Intelligente Sensoren und Sensorsysteme messen Zustandsgrößen wie Druck und Temperatur, überwachen Grenzwerte, zeigen Strukturveränderungen an und finden Leckagen. Die BAM untersucht die Eigenschaften der Sensoren und bewertet sie für den Einsatz. 

Sensoren zur Früherkennung von Waldbränden

Sicherheit ist auch das Thema von Carsten Brinkschulte, Geschäftsführer des Start-ups Dryad und mit dem Unternehmen Gewinner des Innovationspreises Berlin-Brandenburg 2021. Doch bei ihm geht es um die Sicherheit der Wälder – mit weitreichenden Konsequenzen. Waldbrände trieben den Klimawandel voran, erläuterte Brinkschulte, sie seien für 20 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Mit solarbetriebenen, KI-gestützten Sensoren, die direkt im Wald installiert werden und autark arbeiten, will Dryad Schwelbrände in den ersten sechzig Minuten entdecken und damit drastisch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie schnell gelöscht werden können. Auch die dazu gehörende Kommunikationsinfrastruktur entwickelt das in Eberswalde ansässige Unternehmen. Zukünftig will man auch andere Umweltdaten erfassen. 

Wasserstoff-Pipelines aus der Luft überwachen

Wir verlassen den Wald, steigen in einen Helikopter und überfliegen in rund 100 bis 150 Metern eine Gaspipeline. Dank eines Lasersystems können selbst kleine Lecks in der Pipeline entdeckt werden, und je früher dies geschieht, desto geringer sind die Risiken und desto preiswerter wird die Reparatur. All dies sei schon Realität, berichtete Matthias Ulbricht, Geschäftsführer von Adlares, die ein solches System entwickelt und für viele Kunden im Einsatz haben, aktuell jedoch nur für Erdgaspipelines. Nun will das Unternehmen, das seinen Sitz in Teltow hat, das System für Wasserstoffpipelines anpassen. Adlares ist dafür Partner im vom BMBF geförderten Wasserstoffleitprojekt mit dem Namen TRANSHYDE, das gerade gestartet ist. Die Entwicklungen für das luftgestützte Wasserstoff-Ferndetektionssystem werden in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Physikalische Chemie der Universität Potsdam und der Open Grid Europe GmbH durchgeführt. 

Sicherheit und politische Rahmenbedingungen

In Sachsen ist das Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik Meinsberg e.V. ansässig. Der Themenleiter Hochtemperatur-Gassensorik, Dr. Jens Zosel, stellte Ergebnisse aus dem Verbundvorhaben HyProS vor, in dem unter der Leitung von Prof. Michael Mertigneue Sensoren für die Anwendungssicherheit und die Beurteilung der Qualität von Grünem Wasserstoff von 12 Partnern aus Industrie und Forschung entwickelt wurden. Dr. Zosel begründete die Notwendigkeit einer solchen Forschung u.a. mit spezifischen Eigenschaften von Wasserstoff als Energieträger, der sich bei Austritt an Luft leicht selbst entzündet und dann mit unsichtbarer Flamme brennt. Durch diese Eigenschaften können auch kleinere Wasserstoff-Lecks gefährlich werden, was bei der Erstellung von Sicherheitskonzepten für entsprechende Anlagen berücksichtigt werden muss. 

Der letzte Impuls am Optik-Tag befasste sich mit dem rechtspolitischen Rahmen der Wasserstoffwirtschaft. Simon Schäfer-Stradowsky, Geschäftsführer vom IKEM Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität, berichtete vom aktuellen Stand der politischen Debatte, bei der es unter anderem darum geht, wie „Grüner Wasserstoff“ definiert wird und wie die Sicherheit verbessert werden kann. Er führte an, dass nach aktuellem Wissensstand ein Viertel der wasserstoffbedingten Unfälle durch bessere Schulung und Ausbildung verhindert werden könnten. 

Kooperationsplattform entsteht - Kontaktmöglichkeiten

 

Sollten Sie Kontakt zu einem der Referenten aufnehmen wollen, melden Sie sich gerne beim Clustermanagement Optik und Photonik, das Sie zudem bei der Partnersuche oder mit Beratung zu Fördermöglichkeiten unterstützt. Außerdem können Sie sich am Aufbau der Gruppe „Wasserstoffwirtschaft Berlin-Brandenburg“ auf der neuen Kooperationsplattform Brandenburg (KoopBB) beteiligen. Nutzen Sie die Gruppe um sich auszutauschen, Projektkonsortien zu finden, Informationen zu teilen und eigene Veranstaltungen zu bewerben.

Weitere Informationen zum Thema Wasserstoff sind auf der Webseite des Clusters Energietechnik Berlin-Brandenburg zu finden.